Rezension

Brilliant!

Carrie - Stephen King

Carrie
von Stephen King

Bewertet mit 5 Sternen

Im Zuge der Neuverfilmung dachte ich, es ist mal wieder Zeit, das Buch "Carrie" zu lesen. Da ich sowohl den allerersten Film von Brian de Palma mit Sisi Spacek kenne als auch bei meiner ersten Lektüre das Buch schon genial fand, war ich gespannt, wie die Geschichte um das gedemütigte Mädchen Carrie nun auf mich wirken würde. Und ich kann sagen, sie hat nichts von ihrer grausigen Faszination verloren ...

Inhalt:
Die 16-jährige Carrie ist an ihrer Schule die totale Außenseiterin und das perfekte Mobbingopfer. Freunde hat sie keine, ihre Mutter ist eine religiöse Fanatikerin, die ihre Tochter schlägt und in einer dunklen Besenkammer regelmäßig zur Buße zwingt. Carrie ist vollkommen weltfremd und kennt eigentlich nichts anderes als Misstrauen und Demütigungen durch ihre Mitschüler. Als sie jedoch auf den Abschlussball der Highschool eingeladen wird, keimt ein wenig Hoffnung in ihr auf, dass ihr Leben doch vielleicht eine positive Wendung nehmen, dass sie dazu gehören könnte. Doch es soll anders kommen: Wieder wird ihr ein - diesmal ungeheuer grausamer - Streich gespielt, und Carrie entfesselt eine seit langem in ihr schlummernde Kraft, die den Abend in ein Inferno verwandeln wird, denn Carrie nimmt grausame Rache an ihren Peinigern ...

Meinung:
Wow, dieses Buch entfesselt einen derartigen Sog, das gibt es gar nicht! Obwohl von Anfang an völlig klar ist, worauf die Geschichte um Carrie hinauslaufen wird (King streut immer wieder entsprechende Hinweise ein), und ich zudem ja auch Buch un Film schon vorher kannte, fliegen die Seiten nur so dahin. Es entwickelt sich eine stetige wachsende Spannung, man will einfach immer mehr darüber erfahren, wie es zu der Katastrophe kommt, was Carrie angetan wurde, um so dermaßen außer Kontrolle zu geraten.
Dabei schaffte Stephen King mit seinen Protagonisten eigentlich überhaupt keine liebenswerten Identifikationsfiguren. Carrie ist einfach nur ein armer Tropf, sie hatte nie eine Chance bei DER Mutter und den Lebensumständen, sie ist das perfekte Mobbingopfer. Ihre Mitschüler sind keinen Deut besser, sie erfreuen sich an jeder Demütigung, die sie der schwachen Carrie zufügen können. Auch die Lehrer haben nie eingegriffen, obwohl sie wussten, was vorsichging. Und Carries Mutter schießt den Vogel ab, sie ist einfach nur wahnsinnig, und man fragt sich, warum nie das Jugendamt auf sie aufmerksam wurde.
Doch langsam, aber sicher schafft es King, dass man sich auf Carries Seite stellt, mit ihr mitfühlt, Mitleid mit ihr hat und Hass auf die Menschen, die Umwelt entwickelt. Warum kann man Carrie nicht einfach in Ruhe lassen??? So ist die Katastrophe am Ende auch nur folgerichtig und auf gewisse Art gerecht, und ich ertappe mich dabei, wie ich genugtuung empfinde - obwohl so viele Unschuldige sterben.
Das ist ja etwas, was King einfach drauf hat und wofür ich ihn liebe: dass er einen so tiefen, detailierten, menschlichen Einblick in die Abgründe der Seele, ja, auch der der Täter geben kann. Von Anfang an ist klar, dass Carrie eigentlich keine Chance hat. Wir bekommen einen Einblick in eine tief gepeinigte, verunsicherte Seele, die sich nichts sehnlicher wünscht, als normal zu sein, einfach dazuzugehören. Doch aufgrund ihrer wahnsinnigen Mutter und dem damit verbundenen Wissen der eigenen Wertlosig- und Sündigkeit ist da viel zu viel kaputt gemacht worden. King liefert mit Carrie ein wirklich spannendes. tragisches Psychogramm eines Teenangers, der mit der erwachenden Sexualität auch unkontrollierbare paranormale Kräfte entwickelt.
Genial ist auch die Komposition des Buches. Die Geschichte wird aus den verschiedensten Perspektiven erzählt, immer wieder werden auch Zeugen- und Zeitungsberichte aus der Zeit nach der Katastrophe eingestreut. Dadurch entsteht ein Effekt des vorweggenommenen Grauens, das einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Und so hat man die 300 Seiten ganz schnell durch ...

Fazit:
Mit "Carrie" hat Stephen King zu recht seinen Durchbruch als Horrorschriftsteller geschafft. Minutiös entfaltet er in seinem Buch den Fahrplan einer Katastrophe, die in einem grauenvollen Höhepunkt gipfelt. Dabei verzichtet er vollkommen auf Splatterelemente oder sonstige grausige Szenarien. Der Horror spielt sich, wie auch oft in seinen nachfolgenden Büchern, in ganz normalen Menschen ab und entwickelt daraus seine Kraft.
Unbedingt lesen!
Satte 5 von 5 Sternen

Kommentare

jasimaus123 kommentierte am 16. Dezember 2013 um 19:39

Steht gaaanz weit oben auf meiner Wunschliste! Der Film soll ja nicht so gut sein, aber vom Buch lese ich extrem viele gute Rezensionen so das ich es einfach lesen MUSS! Auch deine war sehr informativ.

Lg. Jasmin

Myrna kommentierte am 28. März 2017 um 01:03

Ich hatte mir das Buch bei meiner Tochter ausgeliehen und innerhalb eines Tages gelesen. Man kann echt nicht aufhören, wenn man einmal angefangen hat. Ein wirklich tolles Buch!