Rezension

Das Ende einer Kindheit

Als der Sommer eine Farbe verlor - Maria R. Heinitz

Als der Sommer eine Farbe verlor
von Maria R. Heinitz

Bewertet mit 4 Sternen

Hamburg, Sommer 1976.
Bénédicte ist glücklich. Maman, ihre geliebte französische Großmutter, ist zu Besuch und spielt mit den Kindern, der dreizehnjährigen Bénédicte, genannt Bic, und ihrem viele Jahre jüngeren Bruder Marcel. Alles scheint perfekt. Bis Bic ihre Mutter Aimée in einer Blutlache findet. Aimée leidet schon lange unter Depressionen und hat versucht sich umzubringen. Aimée wird von Sanitätern weggebracht. Die Familie zieht in das westfälische Städtchen Sprede, wo der Vater die Leitung des Irrenhauses übernimmt. Über Aimée wird nicht gesprochen. Die Kinder haben keinen Kontakt zu ihr. Sie wissen nicht, wo sie ist, und man kann Zweifel haben, ob sie überhaupt noch lebt.

Mich hat Heinitz’ Debütroman stark beeindruckt. Sehr einfühlsam schildert die Autorin etwa ein Jahr im Leben von Bénédicte und ihrer Familie. Der Neuanfang in Sprede ohne die Mutter, ohne die gewohnten Freunde, ist vor allem für Bic nicht leicht. In der neuen Schule ist sie die Außenseiterin. Als sie sich mit Susi anfreundet, geht es etwas besser. Auch Susi wird von den anderen Kindern gemieden. Schließlich gibt es da aber auch noch einen sehr interessanten und netten Jungen …

Begeistert war ich auch von der Lebensgeschichte Philos, eines Bewohners des Irrenhauses. Auch er ist ein Außenseiter, und so ist kein Wunder, dass Bic sich mit ihm wohl fühlt und sich mit ihm anfreundet.

Bic war mir von Anfang an sympathisch und ich habe sie gerne durch ihr neues Leben begleitet. Sie strotzt nur so vor Fantasie und malt sich alles Mögliche aus. Man erlebt ihre Welt fast wie durch ihre Augen, so dicht ist man als Leser am Geschehen dran. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass eine Nebelwand um Bic herum wabert, die sie vor der echten Welt abschirmt, ihr den Zugang verwehrt, sie aber auch vor ihr beschützt. So tastet Bic sich langsam durchs Leben, ohne klar zu sehen, wo es lang geht.

„Als der Sommer eine Farbe verlor“ ist ein leises Buch, das von atmosphärischen Beschreibungen lebt und von sehr interessanten Charakteren. Es hat mich bis zum Schluss gefesselt und dann leider eiskalt fallen gelassen. Denn mit dem Schluss kann ich mich gar nicht anfreunden. Für mich ergibt das keinen Sinn. Aber das kann man sicherlich auch anders sehen.

Noch ein kleiner Tipp: Es kommen immer wieder französische Wörter und Sätze vor. Dazu gibt es hinten im Buch teilweise Übersetzungen.