Rezension

Bezaubernd

Als der Sommer eine Farbe verlor - Maria R. Heinitz

Als der Sommer eine Farbe verlor
von Maria R. Heinitz

Bewertet mit 5 Sternen

„Marcel streckte sich, um gleich darauf zu einer Kugel zusammengerollt an meinen Bauch zu rutschen und beruhigt einzuschlafen. Ich roch noch eine Weile an seinem salzigen Haar und fasste den Entschluss, ihm niemals, niemals die Wahrheit zu sagen. Es reichte, wenn ich nicht einschlafen konnte. Das ganze Blut würde ihn einfach wegschwemmen, dachte ich. Das würde er nicht aushalten. Kerzengerade saß ich wer weiß wie lang auf der Matratze und bewachte seinen Schlaf. Ich starrte in die Dunkelheit. Schatten traten hervor. Sie tanzten atemlos über die Dielen. Kein Laut, kein Rascheln war zu hören, nur gleitende Bewegung, über Boden, Wände, Leisten. Jede Sehne meines Körpers verharrte angespannt. Sie sollten seine Träume nicht berühren. Ich passte auf.“

Ein schöner Sommertag nimmt für Bénédicte ein furchtbares Ende, als sie ihre Mutter findet, die versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Der Vater zieht mit Bénédicte und ihrem jüngeren Bruder Marcel von Hamburg in eine Kleinstadt, beantwortet zudem alle Fragen nach der Mutter und ihrer Rückkehr ausweichend. Die Kinder müssen somit nicht nur mit dem Verlust der Mutter klarkommen, sie müssen sich auch in einer neuen Umgebung einleben und versuchen, neue Freunde zu finden. Die kommende Zeit wird für die Familie nicht einfach, zumal Bénédicte seit dem Fund der Mutter traumatisiert ist.

 

Soweit klingt die Handlung von dem Selbstmordversuch der Mutter abgesehen nicht sonderlich spektakulär. Aber was in diesem Buch daraus gemacht wird, ist manchmal mitreißend, manchmal zauberhaft, manchmal hoch emotional und in der Summe so wunderbar und einfühlsam geschrieben, dass ich mich kaum von dem Buch losreißen mochte. Höchst sensibel behandelt das Buch sowohl die „normalen“ Probleme von Heranwachsenden als auch die Bewältigung eines solchen erlebten Traumas.

 

Da die Kinder zweisprachig aufwuchsen, unterhielten sie sich auch häufig auf Französisch. Eine Übersetzung der meisten Sätze gibt es im Anhang, einzelne Vokabeln musste ich – da mein Schulfranzösisch schon eine Weile zurückliegt – aber noch nachschlagen. Der Schreibstil selbst gefiel mir aber sehr und es gab mehrere sehr interessante und / oder liebenswerte Charaktere. Bei dem ein oder anderen hätte ich mir gewünscht, noch mehr von ihm zu lesen, aber das hätte vermutlich den Rahmen des Buches gesprengt.

 

Wie sehr mir dieses Buch gefallen hat, hat mich selbst überrascht und ich kann nicht anders, als eine volle Leseempfehlung abzugeben.