Rezension

Das Leben danach

Was uns bleibt ist jetzt - Meg Wolitzer

Was uns bleibt ist jetzt
von Meg Wolitzer

Bewertet mit 3 Sternen

Wooden Barn könnte dem ein oder anderen Erwachsenen in meiner realen Welt auch ganz gut tun, vielleicht würd' ich selbst sogar eine Auszeit dort nehmen wollen. Kein Handy und kein Internet, einzig ein öffentliches Telefon im Flur für alle, um Kontakt nach draußen zu halten. Und dann ganz viele sensible Menschen, die wieder zu sich kommen wollen und keiner vom anderen erwartet, sich der allgemeinen Norm entsprechend zu benehmen. Für Jams Eltern ist Wooden Barn eine Hoffnung. Die Hoffnung, ihre smarte, fröhliche Tochter zurück zu bekommen. Im Moment ist Jam nämlich nur ein Schatten ihrer Selbst. Die erste große Liebe und dann nimmt diese nach wenigen Wochen ein tragisches Ende. Reeve stirbt und Jam versinkt in Trauer, aus der sie niemand hervorzuholen vermag. In Wooden Barn gibt es nur Jugendliche, die in ihrer Vergangenheit schlimme Dinge erlebt haben oder mit einem Verhalten, das sich gegen sie selbst bzw. ihren Körper richtet, versuchen, das Erwachsenwerden zu bewältigen. Jams Zimmerkollegin bunkert an jedem Ort im gemeinsamen Zimmer Snacks, Ketchup und Süßkram und beruhigt sich mit Fressattacken, wenn Dinge für sie aus dem Ruder zu laufen scheinen. Ein ganz besonderer Literatur-Kurs samt der Aufgabe ein Tagebuch zu führen, entpuppt sich für Jam als Möglichkeit, die Zeit mit Reeve erneut zu erleben. Aber alles steuert unweigerlich auf den letzten Tag ihrer Romanze hin und sie muss sich nun endgültig für Reeve oder das Leben entscheiden.

Meg Wolitzer nimmt sich in ihrem Roman einem Thema an, welches nicht unbedingt alltäglich in der Jugendliteratur ist. Erste Liebe, Liebeskummer, Zoff mit den Eltern, die kleinen und großen Sorgen des Erwachsenwerdens sind natürlich keine neuen Themen. Gern werden diese außerdem zur Zeit in postapokalyptische oder dystopische Setting verpackt, in denen die jungen Helden wie in einem modernen Abenteuerroman das Kindliche abstreifen und sich weiterentwickeln. Auffallend ist bei den meisten dieser Bücher, das zwar die Normalität krachen gegangen ist, die Jugendlichen aber dennoch bewundernswert starke Persönlichkeiten darstellen, die versuchen, den kümmerlichen rest der verbliebenen Welt zu retten. Meg Wolitzer nimmt sich genau des umgekehrten Phänomens an. In ihrer Geschichte ist die Welt für alle anderen normal, nur für die Jugendlichen in Wooden Barn nicht. Zum Beispiel ist Sierras kleiner Bruder auf dem Weg nach Hause verschwunden. Die Ungewissheit, was mit ihm passiert ist, belastet sie jeden Tag und trennt sie von ihren Altersgenossen, die sich nur um alltägliche Dinge sorgen müssen. Casey sitzt seit einem Autounfall im Rollstuhl. Ihre eigene Mutter hat sie und ihre zwei Schwestern betrunken gegen eine Wand gefahren. Sie wird nie wieder laufen können. Das sind nur zwei Beispiele, aber sie verdeutlichen den Konflikt, den die Jugendlichen mit sich tragen. In unserer Gesellschaft gibt es ein gewisses Maß an Zeit, die einem gewährt wird, um über eine schlimme Sache hinweg zu kommen und dann wird erwartet, dass man wieder zum Alltag zurückkehrt. Das Leben muss weiter gehen. Wooden Barn ist darauf spezialisiert, seinen Schützlingen mehr Zeit zu geben als der Rest der Welt, aber das Ziel ist die Wiederteilnahme am normalen Leben. Ich als erwachsener Leser honoriere den Ansatz der Autorin, wenn gleich mir die Figuren doch noch zu eindimensional gestrickt sind. Aber ich finde es toll, dass hier aufgezeigt wird, wie groß der Druck auf jungen Menschen lasten kann. Wie komplex unsere Welt mit all ihren Anforderungen ist, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen, alle Möglichkeiten auszuloten und wahrzunehmen. Wooden Barn hilft den jungen Leuten darin, mit Schwierigkeiten umgehen zu lernen und die Stärke zu entwickeln, die sie für das Erwachsenenleben brauchen.