Rezension

Die freie Stadt

Kinder ihrer Zeit - Claire Winter

Kinder ihrer Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 4.5 Sternen

Kurz bevor die Russen einfallen flieht Rosa Lichtenberg mit ihren Zwillingen Emma und Alice aus Ostpreußen. Hätte sie sich früher auf den Weg machen sollen? Mit Glück finden die drei eine Zuflucht als Alice Fieber bekommt. Während Rosa mit Emma Proviant besorgend will, suchen die russischen Befreier das Dorf heim. Es sieht so aus als habe keiner überlebt. Besonders Rosa ist untröstlich. Gemeinsam mit Emma versucht sie sich in West-Berlin ein neues Leben aufzubauen. Überraschend treffen sich Alice und Emma zwölf Jahre später wieder. Sie lebten nicht weit voneinander entfernt. Die eine in West-Berlin, die andere in Ost-Berlin. In den 1950er Jahren stellte dies noch kein großes Problem dar, denn sie konnten jederzeit in den anderen Teil der Stadt kommen.

 

Ein besonderes Deutsch-Deutsches Schicksal erleiden die Zwillinge Emma und Alice. Während Emma im Westen Freunde findet und doch früh den Verlust ihrer Mutter beklagen muss, ist Alice im Osten zurückhaltender doch gleichzeitig zwar im sozialistischen Staat eingebunden, aber irgendwie freier. Ihr Retter und väterlicher Freund Sergej beschützt sie so gut er kann. Da zieht es Emma in die weitere Welt, denn in ihrem Beruf als Übersetzerin und Dolmetscherin ist sie gefragt, unter anderem auch bei den Amerikanern. Durch Alice lernt Emma den Wissenschaftler Julius Laakmann kennen. Die beiden verlieben sich. Jedoch, kann ihre Liebe eine Chance haben, vor den sich auftürmenden politischen Unstimmigkeiten zwischen Ost und West?

 

Die Geschichte der Zwillingsschwestern Emma und Alice hält einen beim Lesen gefangen. Der Beginn des kalten Krieges, der Kampf um die Vorherrschaft in Berlin, der nicht abreißende Flüchtlingsstrom von Ost nach West, dazu die verschiedenen Geheimdienst, die die Geschicke der jeweils anderen nach ihrem Gutdünken lenken wollen. Gerade heute, wo wieder ein hoffentlich kalter Krieg hereingebrochen ist, liest man den Roman mit noch größerem Interesse. Die Zeitsprünge sind wohl notwendig, um die Story voranzubringen, sie müssen einem nicht unbedingt liegen. Ebenso wie die politische Erzählung überzeugt auch die Darstellung der persönlichen Lebensumstände von Emma und Alice. Ihre sehr unterschiedlichen Wege führen sie doch wieder zusammen. Dieser fesselnde zeitgeschichtliche Roman gibt einen sowohl berührenden als auch informativen Einblick in eine Zeit, die wir überwunden glaubten und mit der wir uns wohl wieder beschäftigen müssen.