Rezension

Ein Autorinnenleben

Wir hätten uns alles gesagt -

Wir hätten uns alles gesagt
von Judith Hermann

Bewertet mit 4 Sternen

Dass Judith Hermann schreiben kann, das hat sie schon in ihren vorigen Werken bewiesen. 
In diesem Buch wird sie sehr persönlich und schreibt über ihr eigenes Leben und und über den Schreibprozess und was ihn beeinflusst.
Die Autorin wuchs in schwierigen Verhältnissen auf, der Vater war lange Zeit Alkoholiker und die Mutter musste die Familie mit Großmutter und drei Kindern am Laufen halten. Was von Weitem wie ein legeres Bohemienleben aussieht, war für die Kinder nicht einfach, nie konnten sie Freunde mit nach Hause bringen und sie passten nicht in bürgerliche Schemata. Judith Hermann suchte sich später eine Wahlfamilie, verlor aber nie den Kontakt zu den Eltern.
Das Buch besteht aus Erinnerungsfetzen, Betrachtungen über das Schreiben, über Träume und kleine Ereignisse. Man kann es nicht einfach so weglesen, es ist schon anstrengend den Gedankengängen immer zu folgen. Aber mich hat das Buch durch seine wunderbar sensible und genaue Sprache beeindruckt. Viele Sätze muss man sich anstreichen, weil sie so schön komponiert und hautnah an der Realität sind.
Mir hat auch das sehr ruhige Cover gut gefallen, im Hintergrund durch ein Fenster das Meer und im Vordergrund zwei Jacken und ein Fernglas an einer Garderobe. Man muss genau hinsehen, so wie Judith Hermann es tut!
Auf jeden Fall lesenswert für alle, die beim Lesen einen hohen Anspruch stellen.