Rezension

Ein ergreifendes Highlight

Warte auf mich am Meer -

Warte auf mich am Meer
von Amy Neff

Bewertet mit 5 Sternen

Das Ende rückt näher: im Juni 2001 teilen Evelyn und Joseph ihren erwachsenen Kindern ihre Pläne mit. In einem Jahr wollen sie gemeinsam den Freitot wählen. Evelyn ist schwer krank und will selbst entscheiden, wie es endet, solange sie noch kann. Joseph will diesen Weg mit ihr gehen. Die drei Geschwister reagieren sehr unterschiedlich. Wut, Rückzug, aber auch Anteilnahme und Verständnis. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven über mehrere Zeitebenen. Die Geschichte kehrt zu den Anfängen zurück, als Joseph sich 1940 in die sechszehnjährige Ev verliebte, nachdem er sie und ihre Bruder, der sein bester Freund ist, schon lange kannte. Es ist eine Rückschau, die immer wieder in die Gegenwart zurückkehrt. Sehr einnehmend erzählt Amy Neff diese berührende Liebesgeschichte, bei der kein Auge trocken bleibt. 

Ich fand es sehr interessant, wie die Kinder mit der Entscheidung ihrer Eltern umgehen, was es bei ihnen auslöst, sich dadurch verändert und wie sie ihre Eltern als Liebespaar wahrnehmen. Violett fragt sich, was wahre Liebe für sie bedeutet. Thomas begreift durch äußere Geschehnisse, was Verlust bedeutet und Jane legt alte Glaubenssätze ab. Diese verschiedenen Einblicke ergeben ein sehr nachvollziehbares Gefühlsleben und man taucht beim Lesen tief in diese Familiengeschichte ein. Am schönsten fand ich die Kapitel, in denen Evelyn erzählt. Sie sind nicht nur sehr gefühlvoll und reflektiert geschrieben, sondern zeigen auch das Voranschreiten ihrer Krankheit aus ihrer Perspektive, während Joseph den zweitgrößten Textanteil hat, dessen tiefe Liebe mich berührte. Dabei haben mich die Rückblicke nie rausgerissen, sondern zeigen glaubhaft die Höhen und Tiefen der Ehejahre. Es ist eine rundum stimmige Liebesgeschichte über den Tod, der Liebende scheidet, die Angst um das, was man verliert und die Erinnerung an gemeinsame Jahre. Wunderschön und ergreifend erzählt.