Rezension

Wenn die Liebe auch durch Tiefen trägt

Warte auf mich am Meer -

Warte auf mich am Meer
von Amy Neff

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir haben vor, unserem Leben in einem Jahr ein Ende zusetzen. Nächsten Juni...“

 

Mit diesen Worten schockiert der 78jährige Joseph seine drei Kinder. Es ist seine Frau Evelyn, die den ausschlaggebenden Grund nennt. Sie leidet an Parkinson und ihre Art der Krankheit führt zu Demenz. Sie möchte gehen, bevor sie sich selbst verloren hat und Joseph will ohne sie nicht leben.

Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben. Der Schriftstil ist ausgereift. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Der erste spielt im Jahre 2001. Das ist das Jahr, in dem sie den Kindern ihren Entschluss mitteilen. Der zweite beginnt 1942 und arbeitet die Vergangenheit auf. Dabei werden die verschiedenen Kapitel von unterschiedlichen Protagonisten dominiert.

Die Personen werden gut charakterisiert. Evelyn beschreibt Joseph 1942 so:

 

„...Joseph war ein Fels, der von unserer Brandung glatt geschliffen worden war, ein beruhigender Kieselstein, den man als Handschmeichler in die Hosentasche steckt und mit sich herumträgt...“

 

In verschiedenen Episoden wird wie ein Schlaglicht ein Blick auf die Ehe geworfen. Es ist keinesfalls immer eitel Sonnenschein, sondern eine Ehe mit Höhen und Tiefen. Joseph ist der ruhende Pol, dessen Liebe fast alles erträgt.

 

„...Unser kleines Leben hier mit dir, unsere Familie großzuziehen, das ist mein Traum….“

 

Evelyn hat weitere Wünsche und Träume. Und doch weiß sie, dass sie ohne Joseph nicht leben kann und will.

Nun bleibt ihnen noch ein Jahr – hoffen sie. Es soll der Familie dienen und letzte Wünsche wahr werden lassen.

Eingebunden werden gesellschaftliche Ereignisse, die ihr Leben besonders geprägt haben. Nach dem 11. September klingt Joseph so:

 

„...Diese ganzen Menschen … hatten keine Vorwarnung, kein letztes Jahr, um ihre Träume zu verwirklichen. Keine Zeit, ihre Familien anzurufen, sich zu verabschieden...“

 

In Anbetracht des Ereignisses überdenken sie ihren Entschluss, bleiben aber dabei, Thomas, der Sohn, der seine Eltern nicht verstanden und sich zurückgezogen hat, bangt um das Leben seiner Frau. Das führt ihn zurück ins Elternhaus.

Jane ist 13 Jahre, als Kennedy ermordet wird. Für ihr Alter hat sie eine sehr düsteren Blick auf das Leben, zumal kurz zuvor ihre Tante tödlich verunglückt ist, die sich gerade mit ihrer neuen Liebe ein Leben in Kalifornien aufgebaut hat. Es ist Joseph, der die richtigen Worte findet.

 

„...Ich weiß. Es ist nicht fair. Aber so wie wir keine Kontrolle darüber haben, was auf der Welt passiert, haben wir auch keine Kontrolle darüber, wann wir sie verlassen...“

 

Das letzte Jahr hat viele Höhepunkte. Doch der Abbau bei Evelyn geht unerwartet schnell.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier wird die Ehe nicht romantisiert, sondern gezeigt, wie auch Sorgen und Probleme die Liebe vertiefen können, wenn man sich darauf einlässt.