Rezension

Ein verregneter Nordfriesland-Krimi...

Sörensen hat Angst - Sven Stricker

Sörensen hat Angst
von Sven Stricker

Bewertet mit 4 Sternen

Ich mag den bitteren Humor, der hier immer wieder aufploppt - er hilft, die düsteren Wahrheiten zu ertragen...

Nach einigen Schicksalsschlägen lässt sich Kriminalhauptkommissar Sörensen von Hamburg nach Katenbüll in Nordfriesland versetzen. Denn er leidet unter einer Angststörung und hofft, dass der kleine Ort ihm ein ruhiges, beschauliches (Arbeits-)Leben bescheren wird. Doch Katenbüll ist grau und trostlos, es regnet permanent, die Einheimischen haben nicht gerade auf Sörensen gewartet. Und es kommt noch schlimmer. Gleich nach Sörensens Ankunft wird Bürgermeister Hinrichs tot im Pferdestall gefunden. Schon die ersten Blicke hinter die Kleinstadtkulisse zeigen dem Kommissar: Hier kann man es wirklich mit der Angst bekommen.

Eine massive Angststörung hat Kriminalhauptkommissar Sörensen - und doch ist er wieder im Dienst. Das kleine nordfriesische Dorf Katenbüll ist jedoch total verregnet und matschig - und auch der sich entwickelnde Krimi ist düster, durchbrochen von kleinen humorigen Passagen. Man ahnt schon zu Beginn Abgründe, selbst als sie noch nicht offensichtlich sind...

"Immer schön die Nase oben behalten, dachte er. Und wenn der Rest des Körpers nach unten wegsackte, die Nase gehörte nach oben..."

Passagenweise dominierte die psychische Problematik von KHK Sörensen sehr, so dass beim Lesen schon die Frage auftauchte, ob jemand in diesem Zustand tatsächlich als ermittelnder Polizist arbeitsfähig sein kann. Doch je mehr der Fall des ermordeten Bürgermeisters sowie dessen verschwundenen Sohnes Sörensen beansprucht, desto mehr ist er in der Lage, seine Angstzuständen zu minimieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zu Sörensens Entsetzen bleibt es nicht bei dem einen Toten, und je tiefer er gräbt, desto größer scheinen die Abgründe, die sich einmal quer durchs Dorf ziehen. An seiner Seite stehen vor allem Jennifer Holstenbeck, seine jüngere Kollegin bei der Polizei, und Malte, der bemühte Praktikant. Außerdem hält ihm ein zugelaufener Hund die Treue, und Sörensen merkt schon bald, wie ihm das Tier ans Herz zu wachsen beginnt. Die Charakterzeichnung der Dorfbewohner einschließlich der Kollegen von der Schutzpolizei gerät z.T. durchaus klischeehaft, was dem Unterhaltungswert jedoch keinen Abbruch tut.

Der Autor stellt mit Sörensen, dessen Vornamen nicht einmal er selbst kennt, einen sehr besonderen Charakter vor. Die Angsstörung wird sehr plastisch geschildert, so dass man sich gut vorsellen kann, wie es Sörensen ergeht. Trotzdem lässt er den KHK nicht in ständigem Selbstmitleid versinken, sondern zeigt, was trotzdem möglich ist. Alles in allem zeichnet Sven Stricker hier ein düsteres Dorfbild, passend zur ewig grauen Wetterlage, und sorgt dafür, dass beim Leser immer wieder die Frage aufploppt, in was für einer Welt heutzutage Kinder und Jugendliche groß werden.

"Sörensen lächelte und schaffte es, dabei grimmig und ironisch gleichzeitig auszusehen. 'Ach wissen Sie (...), manchmal muss man einen Menschen gar nicht so gut kennen, um von ihm enttäuscht zu sein. Ich kenn Sie zum Beispiel überhaupt nicht - und glaub Ihnen trotzdem schon kein Wort.'"

Diese Themen - allesamt düster, schwer und wenig hoffnungsvoll - könnten für eine mittelschwere Depression sorgen. Zum Ausgleich liefert der Autor jedoch immer wieder passend Passagen voller lakonsich-schwarz-bitterem Humor, was mir gut gefallen hat. Das hilft in jedem Fall, die düsteren Wahrheiten zu ertragen. Stellenweise musste ich beim Lesen laut lachen, was die gerade eben zugeschnürte Kehle wieder etwas zu lockern vermochte...

Ein paar langatmige Passagen, nicht immer ganz sauber recherchierte Abläufe - ja, das ist ein kleiner Minuspunkt. Aber alles in allem hat der erste Krimi aus der Reihe um HKH Sörensen mich gut unterhalten, und gerade die gelungene Balance zwischen ernsthaft-düsteren Themen und dem trockenen Humor samt einigen wohl platzierten Seitenhieben auf Politik, Wirtschaft und Sensations-Journalismus hat mir gut gefallen. Band zwei wird daher sicher noch folgen...

© Parden