Rezension

Ein Weihnachts-Pfingstkrimi ...

Geheimnis am Weihnachtsabend -

Geheimnis am Weihnachtsabend
von Gladys Mitchell

Bewertet mit 3 Sternen

Ich liebe Cosy Crime, und im Dezember darf es immer gerne ein klassischer britischer Weihnachtskrimi sein! Die britischen Krimi-Klassiker aus dem Hause Klett-Cotta konnten mich bisher stets überzeugen, sowohl die Weihnachtskrimis als auch die übrigen ("Mord in Cornwall" von John Bude etwa fand ich hervorragend!), und so war ich sehr gespannt auf Gladys Mitchell´s "Geheimnis am Weihnachtsabend". Die Erwartungen waren sehr hoch, sagt The Guardian doch, dass Mrs Bradley den Vergleich mit Miss Marple nicht zu scheuen braucht, und bezeichnet Washington Post den Namen der Autorin doch als einen der meistverehrten Namen in der britischen Kriminalliteratur.

Laut Klappentext folgt Mrs Bradley einer Einladung ihres Neffen zu Weihnachten und reist dafür nach Oxfordshire. An Heiligabend wird dann der Anwalt des Dorfes tot gefunden. Zunächst geht man von einer natürlichen Todesursache aus, doch es gibt da diese alte Spuklegende, die Mrs Bradley schnell an dieser Theorie zweifeln lässt, und so beginnt sie selbst zu ermitteln ...

Das Ganze klang einfach perfekt und nach einem einem 5 Sterne-Werk. Rückblickend konnte "Geheimnis am Weihnachtsabend" diese Erwartungen aber leider nicht ganz erfüllen.

Es werden schnell ziemlich viele Personen eingeführt, und auch der Rest ist durchaus komplex. Man weiß bei Klassikern ja von vornherein, dass man keine seichte Lektüre vor sich haben wird, und will und schätzt ja genau das. Hier hätte ich ein Personenverzeichnis und eine Karte zu Beginn aber durchaus hilfreich gefunden, da man sich so deutlich schneller hätte zurechtfinden und diesen Krimi genießen können.

Aufgrund der ganzen Komplexität muss man generell langsam und sehr aufmerksam lesen, da man ansonsten schnell wichtige Dinge überliest.

Für mich besticht dieser Krimi eindeutig durch den Stil der Autorin. Sprachlich ist dieses Buch jedenfalls weitestgehend ein absoluter Genuss und schön britisch. Der sprachliche Genuss wird allerdings dadurch geschmälert, dass Mrs Bradley Menschen ungeachtet ihres Alters durchweg mit "Kind" anspricht,  sie ständig meckernd lacht und ihre Finger als Klauen bezeichnet werden. Diese Dinge werden über mehr als 400 Seiten hinweg so oft wiederholt, dass ich irgendwann aufhörte zu zählen und das einfach nur noch unschön und störend fand.

Abgesehen vom sprachlichen Aspekt fand ich "Geheimnis am Weihachtsabend" aber leider eher enttäuschend; so konnte ich zu manchen Figuren (etwa Denis) zwar eine Verbindung aufbauen, doch gerade die Hauptfiguren und allen voran Mrs Bradley blieben mir leider allzu distanziert. Ich persönlich mag Miss Marple deutlich lieber.

Ich war von Anfang an nicht sonderlich begeistert von den Hauptschauplätzen, wollte ihnen aber eine Chance geben. Doch auch nach der Lektüre besteht weiterhin mein Eindruck, dass diese nicht die besten Schauplätze für einen Weihnachtskrimi sind.  Ich hatte diese Hauptschauplätze und die Rolle der Schweine in dieser Art und in diesem Umfang überhaupt nicht erwartet. Für meinen Geschmack ging das zu Lasten der Atmosphäre. Und vielleicht entstanden dadurch auch die Längen, die leider immer wieder spürbar sind.

Insgesamt fehlte es mir leider an Atmosphäre - schon die Spuklegende ließ bei mir persönlich nicht so viel Atmosphäre wie erwartet und erhofft aufkommen (dabei war sie eines der größten Potenziale dieses Werkes), doch noch viel mehr fehlte es mir an weihnachtlicher Stimmung, denn genau das erwarte ich, wenn ich einen Weihnachtskrimi lese. Weihnachten kommt nur am Rande vor, wenn die eingeladenen Personen anreisen, man zusammen speist. Das Fest nimmt nur wenige der über 400 Seiten ein. Weihnachtsstimmung kommt einfach nicht auf. -Im Gegenteil, die Handlung zieht sich sogar bis zu Pfingsten hin! Das erwarte ich nun wirklich nicht, wenn ich einen Weihnachtskrimi lesen will und Titel, Cover und Klappentext auch hundertprozentig darauf hindeuten, dass ich genau diesen auch bekommen werde. -Und auch das hilft natürlich kein bisschen dabei, dass die ersehnte und vermisste Weihnachtsstimmung doch noch aufkommt ...

Vielleicht waren die Erwartungen nach den Worten von The Guardian und Washington Post einfach zu hoch, vielleicht handelt es sich wirklich um ein schwächeres Werk dieser Autorin, vielleicht trifft beides zu. Aber von allen bisher gelesenen klassischen britischen Weihnachtskrimis ist dies leider derjenige, der mich am wenigsten fesseln und begeistern konnte.