Rezension

…nicht unbedingt ein klassischer Weihnachtskrimi, zudem mit einer irritierenden Hauptdarstellerin!

Geheimnis am Weihnachtsabend -

Geheimnis am Weihnachtsabend
von Gladys Mitchell

Gladys Maude Winifred Mitchell (* 1901/ † 1983) wurde in Oxfordshire geboren, studierte in London Geschichte und arbeitete als Lehrerin. Im Jahre 1929 erschuf sie die berühmte Detektivin Beatrice Adela Lestrange Bradley, die sie in über sechzig Kriminalromanen ermitteln ließ. Dabei bedachte sie ihrer Heldin mit Interessen, die durchaus ihren eigenen entsprachen:  So war Gladys Mitchell nicht nur eine fundierte Kennerin der Werke von Sigmund Freud sondern interessierte sich auch für Okkultismus. Neben Agatha Christie und Dorothy L. Sayers gehörte sie dem britischen „Detection Club“ an und erhielt 1976 die höchste Ehrung der Crime Writer’s Association. Die Romane wurden Ende der 90er Jahre unter dem Titel „The Mrs. Bradley Mysteries“ von der BBC verfilmt – mit Diana Rigg (Mit Schirm, Charme und Melone) in der Titelrolle und Neil Dudgeon (Inspector Barnaby) als Chauffeur George.

Mrs. Adela Bradley, praktizierende Psychologin und selbsternannte Hobby-Detektivin, befindet sich mit ihrem Chauffeur George auf dem Weg zu ihrem Neffen Carey Lestrange, der in der Grafschaft Oxfordshire eine erfolgreiche Schweinezucht betreibt, um dort in geruhsamer Eintracht im Kreise von Familie und Freunden die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Nur leider bleibt es weder geruhsam noch einträchtig: Die Mär eines Geistes, der nur einmal im Jahr ausgerechnet am Weihnachtsabend erscheint und diejenigen, die ihn zu Gesicht bekommen, im Laufe des kommenden Jahres in den Tode zieht, erhitzt seit Generationen die Gemüter der Dorfbewohner. Auch an diesem Weihnachten sorgt die Geschichte für reichlich Gesprächsstoff, zumal alle von der dubiosen Wette eines Unbekannten wissen, der den ansässige Anwalt Mr. Fossder und den benachbarten Schweinezüchter Geraint Tombley mit der Summe von 200 Pfund herausgefordert hat, sich dem Geist entgegenzustellen. Als dann am Heiligabend die Leiche von Mr. Fossder auf einem Feldweg entdeckt wird, spricht formal – von Seiten der Polizei – alles für einen Herzinfarkt. Doch die eine oder andere Ungereimtheit, die bei oberflächlicher Betrachtung belanglos wirken könnte, erregt die Aufmerksamkeit von Mrs. Bradley. Gemeinsam mit ihrem Neffen Carey und dem Chauffeur George stürzt sie sich in die Ermittlungen…!

Bisher waren die Krimi-Ausgrabungen aus dem Klett-Cotta Verlag eine sichere Bank für kurzweilige Unterhaltung mit nostalgischem Charme. Und wenn ich mir die Vita der Autorin bzw. deren Stellenwert innerhalb der britischen Kriminalliteratur anschaue, dann war die deutschsprachige Veröffentlichung dieses Romans (bzw. ihrer Romane) mehr als überfällig. Und augenscheinlich schien dieser Krimi alle meine Erwartungen an einem „Whodunit“ zu erfüllen: eine engagierte Amateur-Ermittlerin, ein zupackendes Faktotum, ein üppiges Handlungspersonal mit vielen potentiellen Verdächtigen, jede Menge Verwicklungen…

…und auch wenn formal alles richtig zu sein schien, haderte ich mit diesem Krimi. Dies lang nicht unbedingt in der Tatsache begründet, dass der deutsche Titel einen süffigen Weihnachtskrimi versprach, die Handlung sich allerdings über mehrere Monate – von Weihnachten bis Pfingsten – hinzieht. Vielmehr musste ich mit Bedauern feststellen, dass mir selten eine Hauptperson so unsympathisch war wie Mrs. Adela Bradley. Beinah schien es, als hätten die Besonderheiten ihrer Patienten auf ihr eigenes Verhalten abgefärbt. So manche ihrer Reaktionen nahm ich als befremdlich wahr: hämisches Kichern, bösartiger Blick, Echsenlächeln. Zudem wurden ihre Hände immer wieder mit Klauen verglichen. Diese Beschreibung erschien mir ebenso wenig schmeichelhaft, wie ihre Angewohnheit, alle und jede*n als „Kind“ zu titulieren, was eher herablassend auf mich wirkte.

Dieser Krimi erschien im englischen Original unter dem Titel „Dead Men’s Morris“ im Jahre 1936 und war schon der 7. Fall, in dem Mrs. Bradley die Krimi-Bühne betrat. Vielleicht hätten sich mir viele ihrer Eigenarten mit dem Wissen aus den vorherigen Romanen erklärt, mein Verständnis geweckt und sie weniger unsympathisch auf mich wirken lassen. So empfand ich eben diese Allüren mehr als nur irritierend.

Schade! Ich hatte mich so sehr gefreut, eine weitere amüsant-kauzige Protagonistin in die Reihen meiner geliebten wie verehrten Hobby-Ermittler*innen hinzufügen zu dürfen.