Rezension

Eine Familiengeschichte mitten im Ersten Weltkrieg erzählt

Der Sommer der Freiheit - Heidi Rehn

Der Sommer der Freiheit
von Heidi Rehn

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte beginnt ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1913. Familie Rosenbaum stammt gebürtig aus dem Rheinland aus gutbürgerlichen Verhältnissen, lebt aber seit einigen Jahren in Berlin, weil Vater Joseph als Abgeordneter der Zentrumspartei im Berliner Parlament sitzt. Seine Frau Hedda verbringt die meiste Zeit zu Hause mit ihrer Mutter Meta oder mit ihren Kindern Selma und Grischa. Joseph besitzt in Bonn einen Zeitungsverlag dessen Leitung er an seinen Neffen Erwin übertragen hat. Selma ist gerade Anfang zwanzig, hat die Schule bereits beendet und lebt in den Tag. Hedda, Meta und Selma sowie ihr Bruder Grischa verbringen den letzten Sommer vor Kriegsausbruch in Baden-Baden, um dem schwülen Klima Berlins zu entfliehen. Kurz zuvor lernte Selma das Autofahren. Als sie ihren Führschein bekommen hat, schenkt ihr Verlobter Gero ihr ein Auto, mit dem sie zu viert nach Baden-Baden fahren. Auf dem Weg nach Baden-Baden lernt Selma die jüngere Constanze Weißkirchner und ihren Vater Otto kennen. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine Freundschaft. Gero – der Verlobte von Selma – arbeitet als Jurist in einer Berliner Kanzlei, so dass Selma häufig ihre Zeit mit ihrer Mutter und Großmutter verbringt. Grischa geht mit achtzehn Jahren zum Militär, um das Fliegen zu lernen. Als der Krieg ausbricht, werden Gero und Selmas Bruder Grischa zum Kriegsdienst verpflichtet; Gero an die Westfront links vom Rhein und Grischa als Jagdflieger in der Luft. Während des letzten Sommers vor dem Krieg lernen Selma und Constanze den Franzosen Robert in Baden-Baden kennen, der als Fotograf für Zeitungen und Wissenschaftler arbeitet. Es entsteht eine Dreierfreundschaft, die allerdings nicht folgenlos bleibt. Selma bringt im Jahr 1914 eine Tochter zur Welt: Alma. Gero entwickelt sich zu einen seelischen Krümpel, und am Ende des Krieges kommt Grischa nur noch mit einem Auge und einer vernarbten Gesichtshälfte nach Hause zurück. In den vier Kriegsjahren erleben die Familien Rosenbaum und Weißkirchner Höhen und Tiefen, und Robert spielt immer wieder eine Nebenrolle der beiden Familien.

Die deutsche Autorin Heidi Rehn schrieb einen historischen Roman, dessen Epoche nachvollziehbar ist, was darauf zurück schließt, dass die Hintergründe der Geschichte gut recherchiert sind. Die Emotionen, Wirrungen des Krieges, menschlichen Beziehungen und Handlungsorte wirken authentisch. Heidi Rehn passte teilweise die damalige Alltagssprache im Roman an, so dass der Roman dadurch noch authentischer wurde. Vater Joseph als sympathische Leitfigur der Familie steht gar nicht einmal so im Vordergrund, sondern eher Selma, Gero und Robert. Selmas Großmutter Meta konstruierte die Autorin als eine emanzipierte und loyale (Polit-)Kämpferin der Frauenrechte, die hin und wieder unter einem Pseudonym Romane schreibt. Ihre Tochter Hedda liebt eher das konservative Dasein einer Ehefrau und Mutter, und regelt gerne die Familienangelegenheiten. Selma wirkt eher unerfahren, behütet und gut erzogen, die das Leben ohne große Pflichten und Aufgaben zu genießen scheint. Die Männer sind eher diejenigen, die in dieser Geschichte durch ihre Aufgaben und Pflichten den jeweiligen Frauen ein unbeschwertes Leben bieten können.

Sprachstil und Handlungsverläufe schrieb Heidi Rehn verständlich und erläutert am Ende des Romans in einem Glossar einige Begriffe, die im heutigen Sprachgebrauch weniger bekannt sind, und teilweise mittlerweile aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind. Der Autorin ist es gelungen – trotz der Länge der Geschichte – keine Langeweile aufkommen zu lassen. Stellenweise konnte das Buch sogar Spannungen aufbauen, so dass man beim Lesen wissen wollte wie es nun zwischen den einzelnen Figuren und die einzelnen Figuren sich weiterentwickelt(e).

Mit diesem Roman bin ich auf den Lesegeschmack von historischen Romanen aus dem 20. Jahrhundert gekommen. Da ich selten historische Romane lese, weil mich eher spannende und fesselnde Bücher interessieren, gefiel mir dieser Roman rundum gut. Was allerdings auch daran liegen könnte, dass mich diese historische Epoche mehr interessiert als weiter zurückliegende Epochen. Wer Romane mit Schicksalen, Liebesbeziehungen und historischen Hintergründe gerne liest, kann ich diesen Roman weiter empfehlen.