Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Fenians auf Kriegspfad...

Der Abstinent -

Der Abstinent
von Ian McGuire

Bewertet mit 2 Sternen

... oder wie man dem Autoren beim Plot-Twisten zuschauen kann.

Der Roman empfahl sich als brillante, historische Geschichte und tatsächlich war ich neugierig auf das England des Jahres 1867. Die Konflikte zwischen nationalistischen Iren und sich überlegen fühlenden Engländern sind auch in Manchester angekommen und die Polizei hat gerade erst drei Rebellen der geheimen Irischen Organistaion für den Unabhängigkeitskampf, den Fenians, am Galgen aufgeknüpft. Die Menschen murren und die Iren schwören Rache.
Der frisch aus Dublin versetzte Constabel O`Connor, der eigentlich Abstand vom Tod seiner Frau und dem Alkohol sucht und einst ein schlauer Kopf war, ist Kenner der Untergrundszene und warnt seine Kollegen vor weiteren Anschlägen. Die aber sind misstrauisch und offen feindlich gegenüber dem irischen Mitarbeiter eingestellt.

Man munkelt, dass extra aus New York ein Fenian (die es auch dort gab) eingeschleust werden soll, um die Unterdrücker mal so richtig aufzumischen. Die Bahnhöfe werden überwacht, aber natürlich weiß keiner, wie der Mann aussieht. Wie gut trifft es sich da, dass O`Connors Neffe frisch und unangekündigt aus New York beim Onkel eintrifft, ihm dann auch noch von seiner interessanten Bekanntschaft auf dem Ozeandampfer erzählt und zugibt, bei diesem merkwürdigen Herren Spielschulden gemacht zu haben. Netterweise bot dieser ihm an, die Schulden in einer Kneipe zurückzahlen zu können. Inzwischen von Spitzeln zu mehr Hinweisen auf den Eingeschleusten erleuchtet, kann O`Connor Eins und Eins zusammenzählen und tata, es kann sich nur um den kämpferischen Exsoldaten Stephen Doyle handeln.

Ruckzuck wird der Neffe gegen eine anständige polizeiliche Belohnung bei den Fenians reingeschmuggelt. Die Sache wird dem Neffen zu heiß, will aufhören, Polizei erpresst ihn mit dem Wissen, dass ihn in New York der Knast erwartet, und Doyle bringt ihn um. O`Connor ist entsetzt, schon den dritten Mann auf dem Gewissen zu haben und dazu noch Verwandtschaft, kündigt seinen Job und ertränkt seinen Kummer im Suff.

Doyle ist zufrieden und dampft wieder ab nach Amerika, bringt dort seinen Ziehvater und Ehemann seiner ersten großen Liebe um und bietet sich als hilfreiche Stütze für die Farm der Witwe an. Womit er nicht rechnet, dass O`Connor ihm hinterhergedüst ist.... Was dann folgt, ist einfach nur noch dumm und wenig nachvollziehbar. Wer es trotzdem noch lesen will, dem sei hier eine Überraschung gegönnt.

Ich wurde leider mit keinem der Charaktere wirklich warm. Obwohl sich der Autor die Mühe von Kurzbiografien zu den wichtigsten Protagonisten gegeben hat, blieben die Dialoge und Handlungen doch recht oberflächlich und wenig nachvollziehbar. Weder der bestimmende Konflikt ziwschen Iren und Engländern, noch die Verhältnisse des Zusammenlebens, wurden eingehender beschrieben. Hie und da blitzten Ansätze von Gesellschaftskritik auf, als zum Beispiel O´Connor ohne Anklage im Gefängnis sitzt und seine ehemaligen Kollegen ihrem Hass freien Lauf lassen, aber sie verschwanden genauso schnell wie sie unmotoviert angesprochen wurden.

Auch die Untergrundorganisation (die Fenians) blieb nebulös, obwohl sie doch mit ihrem Ableger in Amerika eine maßgebliche Rolle in der Kriminalitätsbekämpfung gespielt haben muss. Einem Man-Booker-Prize-Anwärter hätte ich da mehr Substanz zugetraut und wurde enttäuscht. Bedauerlicherweise bin ich weder sprachlich noch inhaltlich mit diesem Roman warm geworden.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 27. Mai 2021 um 17:52

Hintenraus wirst du fast versöhnlich, ein wenig mehr Gift und die Rezi wäre ein Anwärter auf Nobel;).

Nein, im Ernst, ich verstehe dich. Muss ein früher Roman sein. Wir sollten das mal recherchieren.