Rezension

Fesselnder Ausflug in die Bronzezeit

Die Kinder von Nebra - Ulf Schiewe

Die Kinder von Nebra
von Ulf Schiewe

Bewertet mit 5 Sternen

Ulf Schiewe nimmt uns in seinem neuesten historischen Roman in eine Zeit mit über die sehr wenig bekannt ist, weil die damaligen Bewohner noch keine Schrift verwendeten - in die Bronzezeit. Dennoch darf man sich die Menschen, die um ca. 2.000 vor unserer Zeitrechnung gelebt haben, nicht als unzivilisierte Wilde vorstellen. Sie lebten in größeren Dorfgemeinschaften in denen jeder seinen Platz hatte. Die Gesellschaft gliederte sich bereits in unterschiedliche Gesellschaftsschichten, so dass es Fürsten und Edle, Priester bzw. Priesterinnen und Handwerker sowie Bauern und Sklaven gab. Man huldigte verschiedenen Göttern und in einigen Clans scheint man eher weibliche als männliche Gottheiten verehrt zu haben. Die Menschen trieben Handel, der sie unter anderem bis nach Ägypten führte. Sie kennen und gebrauchen Streitwagen, wie die Hethiter. Ihre Toten bestatten sie in teilweise in Hockergräber und geben ihnen zahlreiche Grabbeigaben mit. Schmuck oder Waffen sowie gebranntes Geschirr aus Glockenbecherkeramik mit Samen.

 

Das wohl berühmteste Artefakt dieser Zeit ist die „Himmelsscheibe von Nebra“, dessen mögliche Entstehung in diesem Roman eine große Rolle spielt.

 

Soweit der geschichtliche Hintergrund.

 

(Der fikitive) Fürst Orkon herrscht über Land und Leute, beutet Bauern wie Handwerker gnadenlos aus und nimmt sich, was ihm gefällt - junge Frauen hauptsächlich. Einzelne Clanchefs murren, aber offen zu revoltieren traut sich aus Angst vor grausamer Rache niemand. Auch sein Sohn Arrak steht ihm in Grausamkeit um nichts nach. Als der sein Treiben auf die Spitze treibt und Rana, die angehende Priesterin der Destarte schänden will, und dann, weil er dabei keinen Erfolg hat, das Dorf überfällt und das Heiligtum der Destarte abfackelt, will Rana die Herrschaft von Orkon und Arrak nicht länger hinnehmen.

 

Mit Hilfe der bronzenen Scheibe, die der Schmied Utrik, Ranas Vater, in mühevoller Kleinarbeit hergestellt hat, will sie die Clans einen und die Willkürherrschaft von Orkon und Arrak brechen. Diese Scheibe enthält - so die Überlieferung aus dem weit entfernten Land der Hethiter - geheimes Wissen. Nur mehr Rana und ihre Mutter sind in Besitz des Geheimnisses, nachdem Utrik ermordet worden ist.

 

Wird es Rana gelingen, die Clans auf ihre Seite zu ziehen?

 

Meine Meinung:

 

Ulf Schiewe ist wieder ein unglaublich lebendiger historischer Roman gelungen. Wir tauchen ein in eine faszinierende Welt von zahlreichen Göttern, deren Namen ein wenig an griechische und/oder nordische Gottheiten erinnern. Panos ist der griechische Hirtengott Pan, der blutrünstige Hador erinnert an den Hades und Destarte findet ihr Pendant im mesopotamischen Astarte-Kult. Um die vielen Namen von Landschaft, Göttern, Clans und deren Zusammengehörigkeit zu überblicken, gibt es am Ende des Buches eine ausführliche Übersicht. Die Buchinnenseite ziert ein Landkarte, um sich ein Bild vom Schauplatz zu machen.

 

Der Schreibstil ist mitreißend, farbig, aufwühlend und so gestaltet, dass man das Hämmern von Utriks Schmiedehammer, das Singen der Priesterinnen und das Wehklagen nach dem Überfall deutlich hören kann. Die lebendig Beschreibung lässt den Leser die Gerüche von Wald, Blut und Feuer intensiv wahrnehmen.

Dass als Erzählzeit das Präsens gewählt worden ist, gefällt mir sehr gut. Denn damit ist der Leser hautnah am Geschehen.

 

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet. Manchmal klingt so etwas wie ein Generationenkonflikt durch, wenn sich Rana gegen Utrik oder Hakun gegen seinen Vater auflehnen. Auch der missratene Arrak ist gut gelungen. Fast könnte man schon wieder ein wenig Mitleid mit ihm haben. Es wird als Sohn einer Sklavin vom Vater kaum wahrgenommen und muss sich dessen Aufmerksamkeit durch übertriebene Gewalt sichern. Dabei möchte er auch „nur“ ein bisschen Anerkennung.

Rana ist aufmüpfig, denkt über alles und jedes nach, ist aber gleichzeitig flott mit Aussprüchen, die manchmal auch ein wenig unpassend sind. Mit ihrer langen Weigerung, in die Fußstapfen der Mutter als Priesterin zu treten, strapaziert sie ihre Eltern ein wenig. Denn heiraten, was die Alternative wäre, will sie ja auch nicht. Rana ist mit ihren Vorstellungen was die Gottheiten betrifft, ihrer Zeit voraus. Sie interpretiert den Mond auf der Himmelsscheibe als Sonne und widerspricht damit den bisherigen Traditionen.

 

Wer abseits dieses grandiosen Romans etwas über die Himmelsscheibe lesen will, dem empfehle ich das Sachbuch von Harald Meller „Die Himmelsscheibe von Nebra“.

 

 

Fazit:

 

Dieser historische Roman spinnt eine anschauliche Geschichte rund um die geheimnisvolle Himmelsscheibe von Nebra und ihre Zeit.Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.