Rezension

Ganz anders als erwartet

Unwesen
von John Ajvide Lindqvist

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gut erzählt, aber langatmig, und die mysteriösen Vorgänge wurden eher stiefmütterlich behandelt. Der Klappentext täuscht gewaltig.

In der schwedischen Kleinstadt Norrtälje taucht eines Tages am Hafen ein Container unbekannter Herkunft auf. Siw und Max, zwei junge Einwohner des Ortes, spüren sofort eine diffuse Bedrohung, die sich in dem Moment bestätigt, als der Container geöffnet wird. Denn bald darauf wirken die Menschen verändert, werden gewalttätig und die Atmosphäre des Ortes verdunkelt sich. Siw und Max wissen, dass sie der Dunkelheit entgegentreten können, daher schmieden sie Pläne, in die allerdings ihre Freunde eingeweiht werden müssen.

Ein mir noch unbekannter Autor, der mit Stephen King verglichen wird? Für mich äußerst interessant! Daher stürzte ich mich mit großer Vorfreude in die Erzählung.

Allerdings war ich nach etwa 120 Seiten ziemlich ernüchtert. Gefühlt las ich immer noch den Prolog, denn so richtig Fahrt nahm die Geschichte nicht auf. Derart plätscherte der Roman auch weiterhin, bis fast zum Ende vor sich hin, und zeigte lediglich Versuche die Spannung aufzubauen, was mich ziemlich enttäuschte. Dreh- und Angelpunkt meiner Unzufriedenheit waren meine Erwartungen, die der Klappentext bei mir geweckt hatte. Denn die versprochene Stephen King - Machart zeigte sich nur in Ansätzen. Irgendwie habe ich nicht ganz verstanden, warum das Element des Unerklärlichen nicht ausgiebiger behandelt wurde, denn das Potenzial dafür war definitiv da. Immer wieder spielte der Autor mit bizarren Situationen, die er gefühlt nur andeutete, mir schlussendlich aber nie richtig geklärt erschienen. Ich hatte ständig den Eindruck, die Geschichte würde etwas zurückhalten, war nie richtig vollständig.

Zudem ist im Roman die Pokémon-Spielewelt großes Thema, was mich furchtbar gelangweilt hat, denn ich konnte dem Ganzen nicht wirklich folgen. Und nicht nur das, auch Video-Games waren Thema, was die Story für mich nun wirklich noch zäher machte. Es schien mir, als ertränke sich die Story in Nebensächlichkeiten und ließe keinen Platz für den Kern der Sache.

Ehrlich gesagt wollte ich das Buch nach der ersten Hälfte abbrechen, denn wer will sich schon 800 Seiten lang langweilen? Doch letztlich bin ich froh, dass ich durchgehalten habe, denn später habe ich dann doch meine Perspektive für den Roman gefunden. Der Autor ist wirklich ein guter Erzähler, daran führt kein Weg vorbei! Er beleuchtete hier ausgiebig die persönlichen Schicksale einer handvoll Menschen, die sich im Laufe der Erzählung anfreundeten und großartige, nachvollziehbare Entwicklungen durchliefen. Diese Figuren wirkten außerordentlich einzigartig und waren mir zudem in ihrer normalen Verrücktheit sehr sympathisch. Die Mischung aus verschiedenen Schicksalen, der damit verbundenen Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit, einzelnen persönlichen, übernatürlichen Geheimnissen, mancher Gesellschaftskritik, sowie der melancholischen, gedrückten Atmosphäre, die konstant durch den Raum waberte, brachte schließlich einige bewegende Momente hervor.

So richtig interessant wurde es, meinem Empfinden nach, jedoch erst auf etwa den letzten hundert Seiten. Hier ging die Handlung endlich in die Richtung, die ich mir von dem Buch versprochen hatte. Das Thema Übernatürlichkeit wurde nun ins Licht gerückt und das, womit mich der Klappentext geködert hatte, endlich vollständig in die Handlung mit einbezogen. Für mich hielt sich die Spannung aber trotzdem in Grenzen, es riss mich einfach nicht richtig mit.

Rückblickend hat mich der Klappentext von „Unwesen“ unwahrscheinlich getäuscht und mich mit deutlich anderen Erwartungen in den Roman geschickt. Doch letztlich fand ich die Erzählung nicht schlecht, denn den Schreibstil und die Feinfühligkeit des Autors für seine Figuren fand ich wirklich beachtenswert. Für mich ein Kriterium, diesen Schriftsteller im Auge zu behalten. / 3,5 Sterne