Rezension

Gefangen im Netz aus Lügen

VERGESSEN - Nur du kennst das Geheimnis - Claire Douglas

VERGESSEN - Nur du kennst das Geheimnis
von Claire Douglas

Kirsty wagt mit ihrer Familie wagt einen Neuanfang: Nachdem ihr Mann Adrian einen Zusammenbruch mit Selbstmordversuch hatte, lassen sie mit ihren beiden Töchtern das alte Leben in London hinter sich und renovieren in einem kleinen Dorf in Wales ein altes Pfarrhaus, um es als Gästehaus zu führen. Die jüngste Tochter Evie hat ein schlechtes Gefühl und glaubt, dass es in dem Haus spukt und auch die Dorfbewohner stehen der neuen Familie und dem Haus an sich skeptisch gegenüber. Zu allem Unglück taucht eines Tages Kirstys Cousine Selena mit ihrer kranken Tochter Ruby vor der Tür auf. Nach einem großen Bruch vor fast 20 Jahren, ausgelöst durch Selenas ständige Lügen, hatten die beiden ehemals besten Freundinnen keinen Kontakt mehr zueinander. Aus Mitleid zu Ruby erlaubt es Kirsty den beiden zu bleiben. Ab diesem Tag liegt plötzlich jeden Morgen ein verwelkter Blumenstrauß vor der Tür. Darauf angesprochen verwebt sich Selena immer weiter in neue Lügen, die letztendlich in einem großen Unglück enden…

„VERGESSEN“ ist der neue Thriller der SPIEGEL-Bestsellerautorin Claire Douglas. Das Cover empfinde ich als absolut passend zum Inhalt, der Leser bekommt eine gute Vorstellung des Gästehauses, welches so auch im Inhalt dargestellt wird. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm zu lesen und aufgrund der detaillierten Beschreibungen von Personen, Räumlichkeiten und Umgebungen lebensnah. Das Buch ist aus Ich-Perspektive von Mutter Kirsty geschrieben, der Leser erlebt das Geschehen aus ihrem Blickwinkel.

Durch diesen Fokus wird Kirsty als Protagonistin von allen Figuren am greifbarsten. Ihre (Selbst-)Zweifel, Ängste und ihr Beschützerinstinkt werden gut vermittelt. Teilweise wird sie durch ihr Über-Bemuttern und die Geheimniskrämerei aber auch etwas anstrengend. Insgesamt sind die wichtigsten Personen sehr gut und individuell gezeichnet, vielleicht mit Ausnahme von Adrian, der etwas blass bleibt. Schön fand ich hingegen die authentischen Charakterdarstellungen und Handlungen der Kinder. Auch Selenas manipulativer Charakter wurde so nachvollziehbar dargestellt, dass man als Leser selbst irgendwann nicht mehr wusste, was man ihr noch glauben kann und was nicht – eine absolut gelungene Antagonistin.

Das Buch beginnt spannend mit einem Prolog, der neugierig macht, gruselt und Fragen aufwirft. Anschließend teilt sich „VERGESSEN“ in einen Part „Davor“ und einen „Danach“, bezogen auf das Ereignis des Prologes, was ich eine sehr kreative Idee fand. Demensprechend sind die Kapitel auch mit z.B. „Zwei Tage zuvor“ überschrieben, was zusätzlich die Spannung hoch treibt. Im „Davor“-Teil erfährt der Leser zunächst viele Details und Einzelheiten aus Kirstys Leben und Alltag, es werden immer wieder Andeutungen auf tragische Ereignisse in der Vergangenheit gemacht, die sich nach und nach erst aufklären und u.a. durch eigene Kapitel mit Rückblicken erst verständlich werden. Teilweise sind diese Geheimnisse aber recht schnell abgehandelt und/oder weniger spektakulär, als zuvor angedeutet wurde, was dann ein eher enttäuschendes Gefühl zurücklässt. Auch sind für mich etwas viele Zufälle zusammengekommen. Leider wurde mir auch der Bezug zum Titel nicht wirklich ersichtlich, er könnte höchstens auf eine der Nebengeschichten aus der Vergangenheit hindeuten, welche dafür aber nicht genug Platz im Buch eingeräumt bekommen hat.

Der Plot an sich ist sehr gut durchdacht und durchstrukturiert, Claire Douglas schafft es auf geschickte Art und Weise, den Leser auf immer falsche Fährten zu locken. Da insgesamt sehr viele Personen auftauchen, bin ich in Teilen etwas durcheinander gekommen, verstehe aber, dass dies notwendig für das ausgeklügelte Ratespiel war, wer denn nun der Mörder ist. Die Indizien sprechen immer wieder für neue Personen, gefühlt hatte so gut wie jeder einen eigenen Grund den Mord zu begehen und macht sich somit verdächtig. Man hat es also mit einem kompliziert-vertrackten Beziehungsgeflecht innerhalb der Familie zu tun, in dem nicht jeder jedem alles erzählt und nichts so ist, wie es scheint. Nach einigen nicht vorhersehbaren Wendungen war für mich dann auch die Lösung sehr überraschend, aber doch nachvollziehbar – super, so machen Thriller Spaß!

Am Ende wurden zwar nicht alle Handlungsstränge vollständig aufgeklärt, aber es hätte der Geschichte auch an Glaubwürdigkeit genommen, wenn plötzlich „heile Welt“ geherrscht hätte. Es wird nur nicht klar, ob es noch einen Nachfolgeband geben wird, der sich mit dem (angeblichen) Spuk im Haus und Evies Rolle befassen wird.

Fazit:

 Eine raffiniert konstruierte Familiengeschichte voller Lügen, die schon spannend, aber nicht unbedingt „thrillermäßig“ war, dennoch aber empfehlenswert ist.