Rezension

Grusel, den man kennt, aber gut gemacht

Haus der Geister - John Boyne

Haus der Geister
von John Boyne

Bewertet mit 4 Sternen

England 1867. Die junge Eliza Caine fährt in die englische Grafschaft Norfolk, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Als sie an einem nebeligen Novemberabend müde und durchgefroren die Empfangshalle von Gaudlin Hall betritt, wird sie von ihren beiden Schützlingen Isabella und Eustace freudig begrüßt. Zu ihrer Überraschung stellt sie fest, dass außer den beiden Kindern niemand in dem alten viktorianischen Anwesen lebt – bis sie erkennen muss, dass sie dennoch nicht alleine sind. Etwas verfolgt sie und trachtet ihnen nach dem Leben. Eliza muss längst begrabene, tödliche Geheimnisse enträtseln, wenn sie nicht selbst den düsteren Mauern von Gaudlin Hall zum Opfer fallen will. (Klappentext)

Henry James „Drehung der Schraube“ stand Pate, auch ein Motiv aus Jane Eyre erkennt man unschwer, von fern grüßen Wilkie Collins und Charles Dickens – letzterer sogar in Persona.
Dennoch: Der Roman wirkt nicht wie ein zweiter Aufguss oder ein Duplikat. Dazu schreibt John Boyne einfach zu gut und beweist mit diesem Roman wieder einmal, dass er jedes Genre bedienen kann.
Mit diesem Buch fesselt er auch diejenigen, die übersinnlichen Phänomenen in Büchern eher skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen. Ihm ist mit „Haus der Geister“ ein klassischer Schauerroman gelungen, der an die alte englische Tradition der viktorianischen Ära anknüpft, in der Seelen keine Ruhe fanden und Forderungen an die Überlebenden stellten, ihnen dabei Angst, Schrecken und Grauen einjagten. Dadurch wirkt dieses Buch auch herrlich altmodisch. 

Eine alleinstehende Frau, die nach den Tod des Vaters aus ihrem Haus vertrieben wird und eine Stelle als Gouvernante annimmt. Was Eliza auszeichnet: Schon zu Lebzeiten des Vaters war sie als Lehrerin berufstätig und konnte für sich selbst sorgen. Und so begegnet sie den Geistererscheinungen nicht ängstlich und defensiv, sondern in Konfrontation. Wie sie den meisten Leuten ihrer Umgebung – Rechtsanwalt, Pastor, Arztfamilie - auch begegnet: Selbstbewusst, kritisch und fordernd, dabei ist sie nicht ohne Verantwortungsgefühl und Mitleid vor allem gegenüber den Kindern. 

Die innere Logik, der sich auch Geistergeschichten unterwerfen sollten, zieht sich perfekt und mit steigernder Spannung durch das Buch. Nach dem folgerichtigen und zufriedenstellenden Ende erwartet den Leser noch eine Pointe – mit einem Schauer über dem Rücken darf man das Buch weglegen. Aufatmen kann man noch nicht.