Rezension

Herrlich schräg!

Murder Swing - Andrew Cartmel

Murder Swing
von Andrew Cartmel

Bewertet mit 5 Sternen

Eine musikalisch, wilde Städtetour durch London der besonderen Art - der Thriller "Murder Swing" von Andrew Cartmel über einen namenlosen, selbsternannten "Vinyl-Detektiv" überzeugt durch Wortwitz, Tempo und eine Vielzahl von herrlich schrägen Protagonisten.

Die Geschichte selbst spielt in der Gegenwart, in der ein nicht wirklich näher beschriebener Typ (groß und schlaksig soll er wohl sein...) vor Jahren aus einer alkoholbeschwipsten Laune heraus Visitenkarten gedruckt und irgendwo in seinem Sausebrand verteilt hat. Unser selbsternannte Experte in Sachen Jazz und LP´s lebt von der Hand in den Mund - in seinen bequemen Wühlschuhen durchstreift er anscheinend täglich sämtliche Secondhand-Läden und Schallplattenbörsen, immer auf der Suche nach seltenen LP`s für das heimische Wohnzimmer oder um diese für ein paar englische Pfund zu verkaufen. Irgendwann taucht die gutaussehende Nevada Warren vor seiner Tür auf und hat über ihren reichen Boss einen Auftrag für ihn - er soll eine sehr seltene Jazz-LP aus den fünfziger Jahren eines kleinen amerikanischen Plattenlabels auftreiben. Die Schwierigkeit liegt natürlich in Detail: das Plattenlabel war nur ein Jahr tätig und von den insgesamt 14 erschienen LP´s sind nur noch wenig Originale im Umlauf - die, die unser Detektiv suchen soll, war die letzte des besagten Labels und scheint einige Interessenten und andere finstere Gestalten auf den Plan zu rufen, die auch nicht davor zurückschrecken, mal die Waffen zu zücken oder schlagkräftige Mitarbeiter vorbei zu schicken. Die Reise geht quer durch die City von London und führt den Leser sogar auf einen Abstecher in das ferne Japan, damit nicht genug, nochmals geht´s über den großen Teich in die USA, genauer gesagt,  an die Westküste, an der es nicht nur heiße Frauen und coole Typen gibt, sondern man hinter so manches Geheimnis und letztlich des Rätsels Lösung um die begehrten Scheiben kommt. Natürlich bleibt so eine verrückte Suche nicht unbemerkt und ruft so einige Typen auf den Plan - die ersten Toten gibt es da schon im beschaulichen London zu beklagen, aber, wie hängen die Morde mit den LP´s zusammen oder geht es letztlich um etwas ganz anderes...?

528 Seiten, die teilweise nur so vor dem sprichwörtlich schwarzen, trockenen Humor der Briten strotzen. Das coole TB-Cover im 60er-Jahre-Agenten-Stil hat mich gleich neugierig gemacht und schon bei der Leseprobe, die ich teilweise im Bus genossen habe, rutschte mir der ein oder andere Lacher raus - Cartmel´s erschaffener Charakter ist auf den ersten Blick ein völlig verpeilter Typ, der mit 2 entzückenden Katzendamen *schnurr* in einer bunt zusammengewürfelten Erdgeschosswohnung mit Garten und tonnenweisen Jazz-LP´s  wohnt. Dort wird er regelmäßig von Stinky, einem Kumpel, der auf Möchte-gern-DJ mit eigener Radioshow macht, heimgesucht. Stinky kommt etwas "schmarotzend" daher, ist trotzdem ein angenehmer Charakter. Ebenfalls der ständig kiffende Tinkler ist ein Freund, den man sofort gerne hat, durch seine etwas tolpatische Art ist das ein oder andere Chaos vorprogrammiert und seine häufig vergeblichen Flirtversuche beim weiblichen Geschlecht sind total drollig. Wenig beschrieben, aber trotzdem klasse: Clean Head, die Taxifahrerin, die die Truppe oft durch das wuselige London karrt. Das sind nur ein paar "Typen", die Cartmel in seinem neuen Thriller, der zwar Tote vorzuweisen hat, aber dennoch nicht blutig daherkommt, zum Leben erweckt hat. Wer, wie ich, mit Vinyl, Plattenspielern und dem Equipment groß geworden ist, musikalisch sich in mehrere Richtungen bewegt, der kommt hier voll auf seine Kosten und schwelgt in mancher Erinnerung. Meinen Plattenschrank mit Inhalt habe ich zeitnah umgestellt und etwas auf Vordermann gebracht.  Natürlich durfte ein Seitenhieb in Bezug auf Deutschland und seine Vergangenheit nicht fehlen, natürlich waren die beiden Charaktere, Heinz und Heidi, auf ihre Art "witzig", trotzdem ist DAS Thema etwas abgenudelt und es wäre schön, wenn in dem oder den Nachfolger(n) der Autor sich dieses ausspart - Danke! ;-) Auf jeden Fall ist dieser Thriller, der irgendwie doch keiner ist, der durch seinen angenehm-flotten Erzählstil Spaß und Lust auf mehr macht und ich bin sehr gespannt auf die weiteren Aufträge für den Vinyl-Detektiv, die hoffentlich bald auf den Markt kommen werden. Von mir gibt´s für Murder Swing eine klare Leseempfehlung und 5 Sterne.