Rezension

Sehr be“swingt“er, origineller Roman

Murder Swing - Andrew Cartmel

Murder Swing
von Andrew Cartmel

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT

London, heute: Er ist ein Plattensammler, ein Spezialist für äußerst seltene LPs, die er kauft und verkauft. Die Jobbeschreibung auf seiner Visitenkarte lautet: ›Vinyl-Detektiv‹. Und manche Leute nehmen das ganz wörtlich – so wie die geheimnisvolle Nevada Warren, die ihn für eine Unsumme anheuert, um für einen anonymen Auftraggeber eine bestimmte LP zu finden, die zu der schmalen Produktion eines winzigen kalifornischen Jazz-Labels gehört, das in den 1950ern nur ein Jahr existierte.

Bald häufen sich seltsame Todesfällen, die allesamt mit dieser Platte zu tun haben könnten. Aber was könnte auf ihr zu hören sein, was sie so ungemein wertvoll macht? Und was hat einer der mächtigsten Konzerne der weltweiten Unterhaltungsindustrie damit zu tun?

Zu allem Überfluss hat unser Detektiv bald auch noch die »Aryian Twins« Heinz und Heidi an der Hacke, zwei ziemlich extravagante Killer …

(Quelle: Suhrkamp Verlag)

MEINE MEINUNG

Der ziemlich außergewöhnliche Spannungsroman “Murder swing” von dem britischen Schriftsteller und Drehbuchautor Andrew Cartmel ist der gelungene Auftakt seiner brandneuen Serie rund um den selbsternannten ›Vinyl-Detektiven‹, der als großer Musikkenner und Plattensammler ein besonderes Geschick darin hat, äußert seltene Schallplatten aufzuspüren.

Sehr schön stimmt das Cover mit den schwarzen, James Bond-mäßigen Silhouetten und die große schwarze Schallplatte im Vordergrund auf die originelle, etwas mysteriöse Geschichte ein, in der sich alles um Musik, rare Schallplattenausgaben, geheimnisvolle Frauen, viel Jazz-Geschichte sowie rätselhafte Unglücke und Todesfälle dreht. Dabei handelt es sich aber nicht um einen packenden Thriller im eigentlichen Sinne, sondern die etwas abgedrehte Handlung entwickelt sich bald zu einem rasant-abenteuerlichen, höchst amüsanten und sehr unterhaltsamen Lesevergnügen. Mit einem lockeren, mitreißenden Schreibstil, äußerst witzigen Dialogen und seinem tollen britischen Humor ist es Cartmel mühelos gelungen, mich von Beginn an zu fesseln, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Trotz der manchmal ausschweifenden Ausführungen zu klangtechnischen Details, der komplexen Historie des Jazz, zur Schallplattenindustrie und Hintergrundinformationen für wirkliche Platten-Freaks habe ich diese selten als langweilig oder überzogen empfunden, habe mich von der Begeisterung anstecken lassen und viel Interessantes und Lehrreiches über diese ganz spezielle Welt und die faszinierende Vinyl-Szene mitnehmen können.

Cartmels Geschichte lebt vor allem von seiner sehr skurrilen, aber liebenswerten Hauptfigur und Ich-Erzähler, der sehr vielschichtig und lebendig gezeichnet ist, aber erstaunlicher Weise in der ganzen Geschichte kein einziges Mal namentlich erwähnt wird. Der junge Londoner ist ein absoluter Jazz-Kenner, Plattenfreak und Katzenliebhaber, der sich mit den kärglichen Einnahmen als Vinyl-Detektiv immer gerade so über Wasser hält. Der sehr sympathische Nerd sorgt für so manches Mal mit seiner erfrischend verpeilten, aber sehr gewitzten Art für überraschende Episoden und humorvolle Pointen. Sehr interessant ist auch sein weibliches Pendant, die verführerische, geheimnisvolle Nevada, die unseren Vinyl-Detektiv bei seinem schwierigen Auftrag und ihrer turbulenten Jagd auf die verloren geglaubte Aufnahme tatkräftig unterstützt, und mir mit ihren verschrobenen Eigenheiten nach und nach immer mehr ans Herz gewachsen ist. Auch bei den Nebenfiguren hat sich Cartmel eine gelungene Mischung an originellen und skurrilen Charakteren einfallen lassen, die für jede Menge Abwechslung, Unterhaltung und sehr amüsante Episoden sorgen, wie Tinkler, der permanent kiffende, audiophile Freund oder die kahlgeschorene, farbige Taxifahrerin Clean Head.

Inspiriert von der zweiseitigen Unterteilung bei Schallplatten hat Cartmel seinen Roman ebenfalls in eine A-Seite, die das populäre Hauptstück besitzt, und einer B-Seite, die ein eher unbekanntes und oft ergänzendes Stück zur A-Seite enthält, gegliedert. So beinhaltet die A-Seite mit der fesselnden, gefährlichen Jagd nach der extrem seltenen Jazz-Platte eine in sich abgeschlossene Geschichte, während die wesentlich kürzere B-Seite, den Faden zur A-Seite erneut aufnimmt und uns Cartmel nach Los Angeles mitnimmt auf eine ereignisreiche Suche zu den noch fehlenden Hintergrundinformationen der im ersten Teil aufgedeckten Besonderheiten der gesuchten Schallplatte. Auch wenn ich die Idee von A- und B-Seite sehr gelungen finde, hätte mir eine Verdichtung der beiden Geschichten besser gefallen. Zudem waren das Rätsel und dessen Auflösung zu konstruiert und unglaubwürdig.

Dennoch freue ich mich schon auf eine Fortsetzung mit den zwei liebgewonnenen Charakteren und mancher interessanter Nebenfigur, und bin sehr gespannt auf den zweiten Fall für den sympathischen Vinyldetektiv!

FAZIT

Ein sehr humorvoller, origineller Spannungsroman mit einem etwas verpeilten, aber liebenswerten Helden - eine abenteuerliche Reise in die Welt des Jazz und Vinyls - rasant, abgedreht und sehr unterhaltsam!