Rezension

Ich hatte mehr erwartet

Wo wir Kinder waren -

Wo wir Kinder waren
von Kati Naumann

Bewertet mit 3 Sternen

100- jährige Tradition

Vielleicht bin ich der Kopf, und ihr seid die Hände, aber die Fabrik ist das Herz, das uns alle am Leben erhält.

Das ist der Leitspruch von Albert Langbein, dem Gründer der gleichnamigen Sonneberger Puppenfabrik. Mit der Figurengruppe der thüringisch-fränkischen Kirmes, an der viele Sonneberger Fabrikanten, auch Albert, beteiligt waren, wurde die Spielzeugstadt bekannt. Diese Schaugruppe lebensecht wirkender Figuren, war auf der Weltausstellung 1910 in Brüssel, zu sehen.

Kati Neumann hat die Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen angesiedelt. Sie entstand in Anlehnung an die Vergangenheit ihrer Vorfahren. Diese hatten bereits 1879 die Puppenfabrik Peter Scherf in Sonneberg gegründet. Der flüssige Schreibstil der Autorin, mit einfachen, kurzen Sätzen macht das Lesen leicht. Leider fehlt dadurch auch die Tiefe und viele Dinge, vor allem in der Gegenwart, sind recht oberflächlich geblieben. So bin ich von dem Buch hin und her gerissen und ich muss sagen, leider enttäuscht.

 

Beginnend mit einer Internetauktion, in der eine Langbein Puppe versteigert wird, tauchen wir in die Geschichte ein. Diese kaum noch zu findende sehr alte Puppe ist jetzt in Amerika. Zwei, der anscheinend letzten Nachfahren überbieten sich bei dieser Auktion, ohne es voneinander zu wissen. Sie hatten sich aus den Augen verloren. Nun nehmen sie Kontakt auf und kommen in der alten Fabrik wieder zusammen, die, wie so viele Betriebe jeder Größe und Branche, Opfer der Wiedervereinigung wurden. Eva, ihr Cousin Jan und ihre Cousine Iris, sind die Hauptprotagonisten. Sie wollen gemeinsam die alte Fabrik und die Wohnung leer räumen. So kommt es, dass sie immer tiefer in die Vergangenheit ihrer Eltern, Großeltern und den Urgroßeltern, die die Spielzeugfabrik gründeten, eintauchen.

 

Sehr akribisch erzählt die Autorin von der Arbeit der Menschen in Sonneberg zur Kaiserzeit. Diese führt die ganze Familie am Küchentisch zusammen. Jede, noch so kleine Hand, muss mit helfen. Albert Langbein kommt zu dem Entschluss sein Haus um einen Anbau zu erweitern und eine Fabrik zu gründen. Gut dargestellt ist, wie die Puppenherstellung einem ständigen Wandel unterliegt. Die Familiengeschichte von 3 Generationen, 2 Kriege, fast alles ist sehr gut recherchiert und hat mir gefallen. Mit der deutschen Einheit geht diese Ära zu Ende. Das Billiglohnland DDR gibt es nicht mehr.

 

Das Haus mit Fabrik soll geräumt und dann vermietet werden. Dieser Erzählstrang gefiel mir nicht und ist sehr oberflächlich. Die Handlungen von Cousin und Cousinen sind oft nicht nachvollziehbar. Es sind erwachsene Personen, die ihre Lebensmitte überschritten haben, was ich auf Grund ihrer Handlungen kaum glauben kann. Sie haben keinen greifbaren Charakter, streiten sich, warum auch immer und über ihren persönlichen Hintergrund erfahren wir nichts. Das finde ich sehr schade. Meine Erwartungen lagen höher, zumal ich die Zeiten von Verstaatlichung über die Hoffnungen durch die Wende und dann den Ausverkauf der DDR sehr bewusst erlebt habe.