Rezension

Sonneberg - Im Wandel der Zeit

Wo wir Kinder waren -

Wo wir Kinder waren
von Kati Naumann

Wo wir Kinder waren ein Roman von Kati Naumann (Harper Collins Verlag)

Flora saß neben Otto und betrachtete die kostbaren Porzellanköpfe, die in einer Kiste auf der Bank lagen. Ein Teil von ihnen war schon bemalt, andere warteten noch darauf, ein Lächeln zu bekommen. Flora fragte Otto: „Kannst du so schöne Gesichter malen?“ Otto wusste, dass er es konnte. Und schließlich hatte sie nicht gefragt, ob er es durfte. Also sagte er: „Ja.“ S.21

Drei Erben der ehemals erfolgreichen Puppenfabrik aus der zerstrittenen Familie Langbein blicken zurück auf eine traditionsreiche Vergangenheit dieser Familie.

Doch die Autorin erzählt nicht nur eine Familiengeschichte, sondern die beispiellose Geschichte einer ganzen Stadt, Sonneberg im Süden Thüringens. Denn in dem Zweig der Spielzeugherstellung waren am Anfang des 20. Jahrhunderts fast alle Familien im Ort beteiligt. In einzelnen Rückblicken blickt Kati Naumann vom Werdegang der einstigen heimischen Produktion der Puppen bis zum Aufstieg einer Weltspielwarenstadt zurück. Anhand der Episoden aus der Vergangenheit etabliert sie ein Beispiel deutscher Geschichte, historisch und wirtschaftlich gesehen. Unter dem Einfluss politischer Entscheidungen entschieden sich Menschenschicksale mit weitreichenden Folgen für eine ganze Region.

Die ausgezeichnete Recherche erkennt man in jedem Satz. Die Einflüsse der eigenen Familiengeschichte der Autorin fließen nahtlos in den Text ein und formulieren die historische Geschichte zu einem stimmigen Gesamtkontext. Die einzelnen fiktiven Figuren sind glaubhaft dargestellt. Besonders die Charaktere des Teils aus der Vergangenheit konnten mich mitreisen und überzeugen. Der Aufbau der Geschichte funktioniert gut und der Text liest sich dank des flüssigen und einfachen Schreibstils interessant. Der Stammbaum der Familie Langbein am Anfang und Ende des Buches trägt zur Verständlichkeit und zeitlichen Einordnung bei.

Eine Danksagung, ein Interview mit der Autorin und die Zeittafel der Spielzeugindustrie in Sonneberg ergänzen das Geschriebene. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Einband, dem Cover, dessen Gestaltung mir besonders gefallen hat.

Fazit: Ich bin in der DDR, in Thüringen geboren, heimatverbunden und begeisterte Leserin von Kati Naumanns Romanen. Daher hat mir diese Erzählung aus Sonneberg sehr gut gefallen. Wo wir Kinder waren verbindet eine über Jahrhunderte mit dem Spielzeug verwobene Tradition mit der Moderne und den Gegebenheiten der Geschichte. Ich kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen, da es mir stimmungsvolle Lesestunden bereitet hat.