Rezension

Das Leben mit und in der Spielzeugmanufaktur

Wo wir Kinder waren -

Wo wir Kinder waren
von Kati Naumann

Bewertet mit 5 Sternen

Der in zwei Zeitebenen erzählte Roman beginnt mit der Internet-Auktion zu einer historischen Puppe von 1910, die von Albert Langbein selbst bemalt wurde. Er, der 1898 die Spielzeugmanufaktur Langbein gegründet hatte. Nun konkurrieren die Cousinen Eva und Iris im Bieterwettstreit um die Puppe, treiben den Preis sinnlos in die Höhe. Die beiden zerstrittenen Nachfahren der Langbeins sind von Neid und Missgunst geprägt, keine guten Voraussetzungen, um das alte Stammhaus ihrer Familie gemeinsam mit ihrem Cousin Jan zu entrümpeln.

So beginnt die Aktion zunächst als Tortur aus gegeneinander gerichteten Spitzen und Lästereien, weil jeder nur die Schwächen der Anderen sieht. Trotzdem nehmen sich die drei Raum für Raum vor, räumen alles aus. Dabei stolpern sie immer wieder über Erinnerungsstücke. Während der Verhandlungen darüber, was weggeworfen, verkauft oder aufgehoben werden soll, tauchen sie in die Vergangenheit ein.

Ganz automatisch nehmen die Drei die Leser*innen mit auf ihre Erinnerungsreise. Gern habe ich die Sonneberger Spielzeugmacher bei ihren Vorbereitungen für die Weltausstellung beobachtet, habe mit Erstaunen und Bewunderung die Heimarbeiter*innen und ihre Kinder bis spät am Abend an Puppenteilen werkeln sehen. Dann kamen die beiden großen Kriege und schließlich die schrittweise Zwangsenteignung. Jedes Ereignis brachte den Langbeins neue Herausforderungen, die Kati Naumann in berührender Weise schildert. Der ganze Roman unterliegt somit einer gewissen Melancholie, der jedoch stets auch ein Fünkchen Hoffnung innewohnt.

Am besten gefallen hat mir die Erinnerung an sich. Die Gute Stube mit der schweren dunklen Kredenz darin kenne ich noch, auch ein Küchensofa und die unglaubliche Sparsamkeit, als es den Leuten eigentlich schon wieder viel besser ging. Die Botengänge, wo einfach die Kinder geschickt worden, hatte ich schon fast vergessen. Darüberhinaus zauberten mir die Spontanbesuche der Nachbarn, die dann zum Unzeitpunkt Sitzefleisch entwickeln konnten, ein Lächeln ins Gesicht. 

Zudem mochte ich die Ausarbeitung der Charaktere sowie deren Beziehungen untereinander. Von jedem hatte ich eine bildliche Vorstellung zu Statur, Kleidungsstil und Gesichtszügen. Ich hatte den Eindruck, sämtliche Gefühlsregungen der Protagonist*innen direkt vor mir zu sehen. Angetan war ich von der nie abreißenden Zuneigung, die lange Zeit das Zusammenleben bestimmt hatte. Selbst in den widrigsten Zeiten hatten sie sich wenigstens gegenseitig.

„Wo wir Kinder waren“ war für mich insgesamt noch bedrückender als „Was uns erinnern lässt“. Dieser erste Erinnerungsroman hatte in meiner Wahrnehmung mehr Leichtigkeit. Das habe ich hier ein wenig vermisst. Letztlich hat die etwas düstere Atmosphäre mein Lesevergnügen aber nicht eingeschränkt. Schön fand ich die Verbindung zwischen beiden über den Ausflug in die Sommerfrische ins Hotel Waldeshöh am Rennsteig.