Rezension

Liebevolles Rätselraten

Albert muss nach Hause
von Homer Hickam

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Wohlfühlroman, den ich erst noch ganz verstehen muss.

Die Ehe zwischen Homer und Elsie wurde von einer Größe arrangiert, die Kismet genannt wird – oder Schicksal. Ganz zufrieden sind sie jedoch beide nicht mit dieser Situation: Elsie sehnt sich nach einem glänzenderen Leben als in Coalwood, der Bergbaustadt. Außerdem ist sie sich ihrer Gefühle zu Homer nicht sicher, der sie wiederum über alles liebt, aber sich partout nicht mit Albert anfreunden kann – dem Hochzeitsgeschenk einer alten Flamme seiner Frau. Albert ist ein Alligator.

„Albert muss nach Hause“ ist eine irgendwie wahre und sicherlich sehr erfundene Geschichte vom Zueinanderfinden, Träumen und sich selbst Verwirklichen. Sie soll den Eltern des Autors widerfahren sein, der sie nun also in Form dieses optisch sehr ansprechenden Romans zu verewigen versucht.

Die beiden Hauptfiguren sind, vermutlich gerade weil es sich um Hickams Eltern handelt, verherrlicht wie Paare in alten Liebesfilmen. Zwar weisen sie hier und da geringe (menschliche) Schwächen auf, sind jedoch wohl die schönsten Menschen der Welt und symbolisieren jeweils (auf den ersten Blick) gegensätzlich scheinende Charaktereigenschaften: Homer die Freundlichkeit, Zufrieden- und Bescheidenheit, Aufrichtigkeit und so weiter, ein ganzer Held eben. Auf der anderen Seite haben wir Elsie, die ehrgeizig nach Höherem strebt, Abenteuerlust verkörpert und sich die typischen Zwänge der Frauen ihrer Zeit keineswegs gefallen lässt. Eine sehr liebevolle Figurengestaltung.

Ich muss offen gestehen, dass ich noch immer nicht ganz verstanden habe, was nun der Wahrheit entspricht und was nicht. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob ich die Metaphern, von denen der Roman überquellt, insgesamt überhaupt erkannt habe – der Hahn, der immer wieder auftaucht und sich auf Homers Schulter wie zu Hause fühlt, scheint mir beinahe für gar nichts zu stehen. Wie ein blinkendes Verkehrsschild, welches uns lediglich darauf aufmerksam machen soll, dass es zwischen den Zeilen Tiefgründigeres zu entdecken gibt. Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, Albert noch einmal zu lesen, oder gleich mehrmals, um sich ganz dieser Schatzsuche zu widmen.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm, sodass man auch an den wenigen Längen des Romans keineswegs hängen bleibt. Auf einfach wirkende Art wird mal wohlige, mal schaurige und auch tieftraurige bis dramatische Atmosphäre erzeugt – was hier simpel erscheint, ist umso schwieriger zu bewerkstelligen und doch mit Bravour gelöst. Wie wenn man zig künstlerische Tricks und einen dicken Batzen Schminke anwendet, um möglichst ungeschminkt auszusehen (damit kenne ich mich bestens aus). Nude Look.
Manche Szenen wirken wie übergangslos aneinandergereiht, weil sie stets folgendem Muster unterliegen: Das Paar fährt, kommt irgendwo an, wo etwas stattfindet, was womöglich ihr Leben verändert, es aber höchstwahrscheinlich doch nicht tut. Und weiter geht die Fahrt.
Trotzdem wartet die eine oder andere Überraschung auf den Leser.

Zusammenfassend sei gesagt, dass es sich bei Albert muss nach Hause um einen der liebevollsten Romane handelt, die ich in letzter Zeit (je) gelesen habe. Eine klare Empfehlung für jeden, der etwas seelischen Urlaub braucht und sich in einem engen Buick (weil man den Rücksitz mit einem riesigen Reptil teilen muss) wohlfühlen möchte. Ein richtiger Inssofakuschelroman.