Rezension

Luise - schwerer Start im Exil

Die Glücksfrauen - Der Geschmack von Freiheit -

Die Glücksfrauen - Der Geschmack von Freiheit
von Anna Claire

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin 1936 Maria, Anni und Luise sind die besten Freundinnen und träumen davon gemeinsam ein Restaurant zu eröffnen. Anni hat jüdische Wurzeln. Maria ist Jüdin und Luise ist gemeinsam mit ihrem Freund Richard im Widerstand aktiv.

Als die illegale Druckerwerkstatt auffliegt, flieht Richard Hals über Kopf nach Amerika. Luise folgt im etwas später zusammen mit dem Versprechen, in Amerika das Restaurant zu eröffnen und auf die beiden Freundinnen zu warten, die sich nicht entschließen können, Deutschland ebenfalls zu verlassen.

86 Jahre später steht Luises Enkelin vor einer schweren Aufgabe. Sie soll ein Drittel Luisens Nachlass bekommen unter der Bedingung, dass sie sich auf die Suche nach den beiden Freundinnen macht.

Die Autorin erzählt in Rückblicken Luises weiteres Leben in Amerika. Es ist ein schwerer Start, denn ohne Geld und Sprachkenntnisse hat man wenig Möglichkeiten. Luise lässt sich nicht unterkriegen. Sie arbeitet als Tellerwäscherin und wird nicht zur Millionärin. Glücklicherweise lernt sie eine Gruppe anderer deutschen Migrantinnen kennen und gemeinsam erarbeiten sie sich ihren Platz in der neuen Welt. Über allem schwebt die Sorge um die Zurückgebliebenen.

June ist nach dem Unfalltod ihrer Eltern bei ihrer Großmutter Luise aufgewachsen. Über deren bewegte Vergangenheit erfährt sie jetzt zum ersten Mal und beschließt, Luises  Wunsch , die alten Freundinnen oder deren Nachkommen aufzuspüren, nachzukommen.

Was mich an dem Buch fasziniert hat, war, dass der Schwerpunkt nicht auf dem Leben in Nazideutschland liegt, sondern dort weitermacht, wo viele Bücher, die in dieser Zeit spielen - nach erfolgreicher Flucht.

Die Autorin schildert schonungslos , wie schwer der Neubeginn war. Die Flüchtlinge wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen. Die Arbeitssuche gestaltet sich schwierig. Das Leben war teuer. Hinzu kam die Sorge um die Lieben in Nazideutschland, das Heimweh und Schuldgefühle, weil man davon gekommen ist. Luise habe ich bewundert. Wie ein Stehaufmännchen macht sie nach jedem Rückschlag weiter, findet Trost und Rückhalt in der Gruppe. Mir war nicht bewusst, dass es oft die Frauen waren, die die Familie zusammen gehalten und das Überleben gesichert haben. 

Ich habe durch das Buch völlig neue Einblicke erhalten, die meine Hochachtung für die Frauen gesteigert haben.

Nicht weniger interessant sind die Ereignisse rund um June. Für mich war es spannend, wie sich die Suche nach den Freundinnen gestaltet, was auch beinhaltet Luises Lebensweg in Amerika nachzuspüren. Durch die Schilderungen ehemaliger Weggefährten ergibt sich ein gutes Bild von Luises facettenreichen Charakter.

Was für mich besonders fesselnd war, durch Junes Nachforschungen erhält man sehr genaue und hilfreiche Hinweise, wie man sich selbst auf die Suche machen kann. Dass es dann noch eine Liebesgeschichte gibt, bei der sich June entscheiden muss, wie sie weiter leben möchte, war nicht so von Bedeutung für mich.

Der Roman hat mich komplett abgeholt und ich konnte kaum aufhören zu lesen, so bewegt hat mich Luises Geschichte, so neu und interessant war der Blick auf die deutschen Migranten in Amerika. Für mich ein tolles Leseerlebnis mit hohem Unterhaltungswert.