Rezension

Meh… Hat mich leider emotional nicht erreicht!

Die Kriegerin -

Die Kriegerin
von Helene Bukowski

~ „Die Kriegerin“ ist ein Roman, den ich mit hohen Erwartungen begonnen, jedoch leider ernüchtert und etwas enttäuscht beendet habe. Das lag hauptsächlich daran, dass mich das Buch emotional einfach nicht erreichen und auch nicht fesseln konnte. Für große Fans sehr ruhiger, reduzierter Geschichten könnte es vielleicht etwas sein, alle anderen sollten lieber zu Helene Bukowskis Debüt greifen („Milchzähne“), das fand ich nämlich echt großartig! ~

Inhalt

Zwei befreundete (Ex-)Soldatinnen kämpfen mit ihren Traumata.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Kapitel, Unterteilung durch Absätze

Inhaltswarnung: Gewalt, Blut, (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen (bis Vergewaltigung), Tötung eines Tieres (Hund), Feuer, Suizid, psychische Krankheiten, Depression, Trauma, posttraumatische Belastungsstörung, Sexismus, Misogynie, selbstverletzendes Verhalten, Alkohol

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- ruhige und langsame Geschichten
- reduzierter, eher distanzierter Schreibstil
- Leben als Soldatin
- Trauma / posttraumatische Belastungsstörung
- psychische Krankheiten / Suizid / Selbstverletzung
- sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung) als zentrales Thema
- Spuren von magischem Realismus (Träume)

Lieblingszitate

"Die Soldatinnen hier im Feldlager warnen sich gegenseitig vor ihm. Anzeigen tut ihn niemand." Seite 128

"Denn natürlich kann in diesen Nächten etwas passieren, kann die Nähe, die beim Tanzen entsteht, ausgenutzt, kannst du gegen deinen Willen in eine Toilette gedrängt, können in dein Getränk K.-o.-Tropfen gemischt, kannst du fotografiert, berührt, gepackt, geküsst werden, ohne dass du selbst dabei ein Mitspracherecht hast." Seite 195

"Die Dunkelheit schlug hohe Wellen, füllte Lisbeths Lungen, zerdrückte ihre Brust, schmeckte nach Asche.“ Seite 13

Meine Rezension

Nachdem mich vor einigen Jahren das düstere, tiefgründige Debüt von Helene Bukowski („Milchzähne“) so begeistert hatte, wurde ich natürlich aufgrund des Titels und Klappentexts (beides klang sehr feministisch) sofort auf ihr neues Buch aufmerksam und wollte es lesen.

Doch konnte mich auch die „Kriegerin“ wieder emotional so abholen und mitreißen? Das muss ich leider verneinen, denn die Lektüre ließ mich seltsam unbefriedigt, ernüchtert und leicht enttäuscht zurück. Müsste ich die Leseerfahrung in einem Wort zusammenfassen, wäre das wohl: Meh!

Natürlich gab es ein paar Dinge, die mir auch dieses Mal wieder gut gefallen haben, z. B. die Grundidee und die Wahl der Themen (das Leben als Soldatin, Sexismus, sexualisierte Gewalt, Trauma). Einzelne Szenen haben mir zugleich das Herz zerrissen und mich unglaublich wütend gemacht! Die Schauplätze fand ich gut gewählt und erfrischend (Kreuzfahrtschiff, Bungalow am Meer, Militäreinsätze in anderen Ländern) und ich mochte die teils kafkaeske Grundstimmung, die Spuren des magischen Realismus (große Bedeutung von Träumen) und manch interessante Wendung oder Nebenfigur.

Aus feministischer Sicht gibt es ebenfalls nicht viel auszusetzen, weil der Roman so frauenzentriert ist und Alltagssexismus in einer männerdominierten Branche und die Folgen von sexualisierter Gewalt in den Fokus rückt. Als positiv habe ich auch empfunden, dass LGBT-Aspekte eingeflochten wurden und dass der Freund der Hauptfigur als alleinerziehender Vater ganz und gar nicht toxisch ist. Ein Pünktchen Abzug gibt es für das eine oder andere Klischee. Wer gerne Bücher und ihre Symbolik analysiert, ist hier übrigens an der richtigen Adresse – die „Kriegerin“ gibt das (mit ihren rosaroten Vögen, ungewöhnlichen Träumen und großen Steinen) auf jeden Fall her!

Das klingt doch alles ganz positiv, oder? Warum dann trotzdem nur 3 Sterne? Nun, leider vermochte es das Buch nicht, mich nachhaltig zu berühren und zu fesseln. Die Thematik, von der ich aufgrund des Klappentexts dachte, sie wäre das Kernthema (sexuelle Gewalt), nimmt tatächlich nur wenig Raum in der Geschichte ein. Der Schreibstil war dafür auch zu reduziert und oberflächlich, lieferte zu wenige Details, blieb in Bezug auf die Figuren zu distanziert. Es ist sehr schwer, mit den Charakteren mitzufühlen, wenn man als Leser:in nicht an sie herangelassen wird (und diesen Eindruck hatte ich). Ich konnte zum Beispiel das egoistische Verhalten der Protagonistin sehr oft nicht nachvollziehen (warum verlässt sie einfach so ihre Familie und Tochter, ohne sich zu melden, warum tötet sie aus Rache einen unschuldigen Hund?) und hatte auch am Ende des Buches das Gefühl, sie eigentlich überhaupt nicht zu kennen. Wer an einem unschuldigen Wesen seine Rachegefühle auslässt, ist zudem bei mir sowieso „unten durch“ – EGAL wie traumatisiert die Person ist, das ist für mich keine Entschuldigung oder Ausrede!

Außerdem fehlten mir Spannung, Tempo und Handlung (man hat teilweise überhaupt keine Ahnung, worauf die Geschichte hinauswill) – ich fand sie besonders im Mittelteil zäh bis langweilig. Mit seinen 250 Seiten war der Roman trotzdem (beim immerhin dritten Versuch) ganz gut zu schaffen – ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich nicht durchgehalten hätte, wenn er 400 Seiten gehabt hätte. Jetzt beim Schreiben der Rezension – nur knappe zwei Wochen nach Beendigung des Buches – fällt mir leider auf, dass ich schon wieder viel vergessen habe. Die Geschichte wird mir wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben, sie hat einfach keinen bleibenden Eindruck hinterlassen…

Mein Fazit

„Die Kriegerin“ ist ein Roman, den ich mit hohen Erwartungen begonnen, jedoch leider ernüchtert und etwas enttäuscht beendet habe. Das lag hauptsächlich daran, dass mich das Buch emotional einfach nicht erreichen und auch nicht fesseln konnte. Für große Fans sehr ruhiger, reduzierter Geschichten könnte es vielleicht etwas sein, alle anderen sollten lieber zu Helene Bukowskis Debüt greifen („Milchzähne“), das fand ich nämlich echt großartig!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne  
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Pacing/Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!