Rezension

Perfides Spiel

Das Haus der Mädchen - Andreas Winkelmann

Das Haus der Mädchen
von Andreas Winkelmann

Andreas Winkelmann war mir als Autor bisher vollkommen unbekannt. Sein hervorragender Thriller „Das Haus der Mädchen“ hat dies mit Sicherheit und nachhaltig geändert, denn er ist mit Abstand der spannendste Roman dieses Genres, dass ich in den letzten Monaten gelesen habe. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass mich diesmal die Wendungen in der Handlung bis hin zum letzten Twist in der Auflösung tatsächlich jedes Mal kalt erwischt und überrascht haben.

Leni Fontane, nomen es omen, literaturbegeistertes, aber nicht mit berühmten Trägern ihres Namens verwandtes, ‚Landei‘ aus dem beschaulichen Sandhausen trifft für ein Praktikum in einem Verlag in der Großstadt Hamburg ein. Sie ist mit der neuen Umgebung im Grunde völlig überfordert, kennt sich nicht aus und ist zudem auch noch sehr menschenscheu. Zum Glück war der Verlag bei der Zimmersuche behilflich, eine günstige Bleibe über ein Internetportal wurde für sie organisiert. In der beeindruckenden Wohnung am Fleet lernt sie die ihr in jeder Hinsicht gegensätzliche Vivien kennen, die sie, nicht immer zu Lenis Gefallen, unter ihre glitzernden Fittiche nimmt. Und auch wenn Viviens Freizeitbeschäftigungen und Einstellungen aus Lenis Sicht alles andere als risikoarm sind, ist sie sich doch sicher, dass mit ihrem plötzlichen Verschwinden nach Amsterdam nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Zu diesem Handlungsstrang gesellen sich ein weiterer um einen sehr merkwürdigen und nicht unbemerkt gebliebenen Mord, in dem der Leser weit mehr Details kennt als die beteiligten Personen und die ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei und nicht zuletzt Geschehnisse in einem beängstigenden Kellerraum, die zunächst nichts für schwache Nerven sind und dann mit einer Wendung aufwarten, die ihresgleichen sucht.

In meinen Augen ist Andreas Winkelmann hier ein Thriller par excellence gelungen, der Spannungsbogen ist unglaublich, das Tempo hoch und das Buch hat keine einzige, nicht einmal drei Seiten währende, Länge. Es ist eines der Bücher, die man an einem einzigen Tag lesen möchte und sollte man zufälligerweise die Möglichkeit haben, auch tut, zumindest ging es mir so. Die Personen sind allesamt so plastisch und treffend herausgearbeitet, egal ob Leni und Vivien, Kerner und Rebecca, Freddy, der Verlagschef und weitere, die ich nicht einzeln aufzählen möchte, um möglichst nicht ein Mü zu viel anzudeuten, dass ich sie stets vor Augen hatte, greifbar, nahbar. Ich empfinde dies immer als wichtigen Faktor, dass ich zumindest für eine Person Empathie entwickeln kann oder auch die gewünschte Abscheu – nichts hält mich mehr bei der Stange.

Fazit: ein unerwartetes und umso begeisternderes Lesehighlight 2018 für mich. Man sollte nicht nachts damit beginnen, wen man ohnehin nicht schlafen konnte, das wird dann nämlich eher nichts mehr. Auch ein mit Terminen vollgepackter Tag eignet sich nicht. Ein wahrer Pageturner mit einem gleichbleibend hohen Spannungsniveau, unglaublich gut gelungenen Wendungen und einer voll zufriedenstellenden Auflösung.

Fantastisch!! Absolute und sehr dringende Leseempfehlung für Fans des Genres!