Rezension

Roman über verletzliche Künstlerseelen, der die Kolonie der Skagen-Maler lebendig werden lässt

Die Frauen von Skagen - Stina Lund

Die Frauen von Skagen
von Stina Lund

Bewertet mit 4 Sternen

Asta ist bei der Familie Triepke in Skagen als Gesellschafterin der Tochter Marie angestellt. Diese träumt davon, Malerin zu werden und kann ihren Vater davon überzeugen, dass sie sich ein Jahr auf Reisen begeben darf, um ihrer Passion nachzugehen, bevor sie heiraten muss. Unterwegs treffen sie auf andere Künstler und in Paris begegnen sie dem Maler Peder Severin Krøyer wieder, dem Marie in Skagen schon Modell gesessen hatte. Während er nur Augen für Marie zu haben scheint, entwickelt Asta eine wahre Besessenheit für ihn. 

Über hundert Jahre später soll Vibeke perspektivisch die Firma ihres Vaters übernehmen, träumt aber von einer Künstlerkarriere. Mit der Unterstützung ihrer Mutter reist sie nach Skagen, erfährt mehr über die berühmte Künstlerkolonie und bleibt vor Ort, um eine Malschule zu besuchen. In dem Café, in dem sie nebenbei arbeitet, entdeckt sie ein Gemälde, auf dem die Familie Krøyer dargestellt ist. Da schon ihre Mutter fasziniert von der Künstlerin Marie Krøyer war, möchte Vibeke mehr über das Bild herausfinden, das nicht signiert ist. Doch nicht nur das Bild in dem Kavehus weckt das Interesse von Vibeke, sondern auch der Inhaber Thore. 

Der Roman erzählt von der legendären Künstlerkolonie im dänischen Skagen um die Künstlerpaare Anna und Michael Ancher sowie Marie und Peder Severin Krøyer. Auf zwei Zeitebenen, 1883-1905 und 2018, wird in beiden Erzählsträngen auf sie Bezug genommen. Erzählt werden jeweils fiktive Geschichten in Vergangenheit und Gegenwart, wobei historische Fakten und die Biografien der Skagen-Maler den Rahmen vorgeben.  

Es ist ein Roman, in der die Kunst und Malerei wesentliche Rollen spielen und die Erzählung von sehr eigenwilligen Charakteren dominiert wird. Auf der einen Seite sind Künstler wie Peder Severin Krøyer, der sehr von sich und seinem Talent überzeugt ist und andere wie Marie, die von seinem Können eingeschüchtert sind oder Vibeke, die an sich und ihren Fähigkeiten zweifelt. Als Leser sollte man deshalb ein Interesse an der Kunst bzw. dem Künstlermilieu haben. 
Das Zusammenspiel der Protagonisten ist aber nicht nur auf die Kunst beschränkt, sondern betrifft insbesondere auch die zwischenmenschliche Ebene. Neid und Eifersucht werfen einen Schatten auf die Beziehungen und sorgen in Vergangenheit und Gegenwart für Konfliktpotenzial, dass sogar die Gemeinschaft der Künstler auseinanderzubrechen droht. 
Dabei sind die Charaktere so plastisch dargestellt, wie man sich typische Künstler vorstellt - entweder exzentrisch und mit enormer Sendungswirkung oder verunsichert mit einem Hang zur Melancholie. 

Während ich mich auf beiden Zeitebenen sehr anschaulich nach Skagen, wo Nord- und Ostsee am Skagerrak/ Kattegat zusammenfließen und wo in den Sommermonaten ein besonderes Licht herrschen soll, das die Künstler für ihre Freiluftkunst und ihre Malerei nutzten, versetzen lassen konnte, empfand ich die Charaktere als etwas unnahbar, Interessant ist vor allem Asta, die trotz ihrer gesellschaftlich niedrigen Stellung und ihrem Abhängigkeitsverhältnis zu den Triepkes bzw. Marie wesentlich selbstbewusster auftritt und auf ihren Vorteil bedacht ist. Mit Marie verbindet sie weder ein Arbeitsverhältnis, noch eine Freundschaft, sondern vielmehr eine Hassliebe; in Peder Severin Krøyer findet sie ihren Seelenverwandten. 

Beide Erzählstränge fügen sich zu einer Künstlergeschichte, die die Künstlerkolonie des späten 19. Jahrhunderts lebendig werden lässt. Die Charaktere -allesamt verletzliche Künstlerseelen - blieben mir allerdings zu distanziert, weshalb mich ihre Schicksale nicht in vollem Umfang berühren konnten.