Rezension

Runder Wikingerroman mit süßer, sich langsam entwickelnder Liebesgeschichte, starker Heldin und kleinen Schwächen!

Das Herz der Kämpferin - Adrienne Young

Das Herz der Kämpferin
von Adrienne Young

~ „Das Herz der Kämpferin“ ist eine solide, runde, unterhaltsame Wikingergeschichte für Jugendliche – mit kleinen Schwächen. Der Schreibstil ist einerseits für Jugendliche gut geeignet, einfach und angenehm lesbar, andererseits war er mir teilweise nicht anschaulich genug. Zudem hat es lange gedauert, bis sich ein gewisser Lesefluss einstellte. Adrienne Young hat mit „Das Herz der Kämpferin“ eine Geschichte geschaffen, die uns in eine frühere Zeit entführt. Die Geschichte ist vielen Bereichen nicht innovativ, jedoch bringt die Autorin auch genug eigene Ideen ein. Thematisch stehen Familie, Feindschaft, Glaube, Heimat, Erwachsenwerden und das Finden seines eigenen Platzes in der Welt im Mittelpunkt. Auch moralisch schwierige Fragen rund um das Kriegsgeschehen werden auf für Jugendliche leicht verständliche und zugängliche Weise thematisiert, wodurch das Buch zum Nachdenken anregt. Dennoch hätte ich mir teilweise noch etwas mehr Tiefe gewünscht. Als problematisch stufe ich die teilweise exzessive Gewalt im Buch ein, besonders eine Folterszene, die Grenzen überschreitet. Der Spannungsbogen brach leider trotz einiger fesselnder Passagen und actiongeladener Kampfszenen zwischendurch immer wieder ein. Das lag wohl auch an den wenigen Dialogen, die die Geschichte Tempo und Lebendigkeit kosteten. Dennoch habe ich auch die ruhigen, emotionalen Szenen geschätzt, in denen die Figurenentwicklung vorangetrieben werden konnte. Alle wichtigen Figuren sind sehr liebevoll ausgearbeitet, wirken dreidimensional und glaubwürdig. Am Ende des Buches merkte ich, dass mir die Figuren ans Herz gewachsen waren. Eelyn hat mir als Heldin ebenfalls sehr gut gefallen. Sie ist eine starke Frau, eine geübte Kriegerin, die sich nichts gefallen lässt und furchtlos in Schlachten kämpft. Gleichzeitig hat sie aber auch eine nachdenkliche, gefühlvolle und vor allem weiche und verletzliche Seite, die sie den LeserInnen immer wieder offenbart. Ich habe mit ihr mitgefühlt und sie gerne begleitet. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, kann Adrienne Young punkten: Endlich einmal keine Liebe auf den ersten Blick, sondern eine vorsichtige Annäherung, die durch den Feindesstatus natürlich noch weiter verkompliziert wird. Ich fand diese langsam erwachende Liebe, den respektvollen Umgang und das immer weiter wachsende Vertrauen zwischen Fiske und Eelyn absolut glaubwürdig, realistisch und wunderschön geschildert. So geht Liebe in einem Jugendbuch! ~

Runder Wikingerroman mit süßer, sich langsam entwickelnder Liebesgeschichte, starker Heldin und kleinen Schwächen!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Inhalt

„Ehre vor Leben.“ Diese Lebenseinstellung ist der 17-jährigen Eelyn in Fleisch und Blut übergegangen. Einmal im Jahr treffen die zwei verfeindeten Wikinger-Clans Rikki und Aska aufeinander und bekämpfen sich für ihre Götter bis aufs Blut. Während einer Schlacht sieht Eelyn plötzlich ihren Bruder Iri Seite an Seite mit den Rikki kämpfen – ihren Bruder, der vor Jahren schwer verletzt in eine Felsspalte fiel und starb. Wie hat er doch überlebt? Und wieso hat er die Aska verraten, indem er sich den Rikki angeschlossen hat? Unfreiwillig bekommt Eelyn die Chance, Iri all diese Fragen zu stellen, als sie von den Rikki gefangen genommen wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: HarperCollins
Seitenzahl: 320
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: -! Für TierliebhaberInnen ist dieses Buch nicht immer leicht zu ertragen. Es wird beschrieben, wie einer Ziege die Kehle durchgeschnitten wird und wie eine Eule durch einen Stich mit dem Messer in den Brustkorb stirbt. Beide Tiere werden geopfert, um Götter zu ehren und haben dabei Angst und Schmerzen. Fische schnappen an Land einige Sekunden bis Minuten nach Luft, Tiere werden ausgenommen, Fleisch und Fisch wird gegessen. Die Pferde werden immerhin gut behandelt.  

Warum dieses Buch?

Der spannend klingende Klappentext und so manche begeisterte Rezension haben in mir den Wunsch geweckt, dieses Buch zu lesen. Außerdem sprach mich das Wikinger-Setting sehr an.

Meine Meinung

Einstieg (3 Lilien)

„Nebel hing wie ein Schleier über dem Feld, aber wir konnte sie hören. Die Klingen der Schwerter und Äxte, die an den Brustpanzern schleiften.“ E-Book, Position 13

Der Einstieg ins Buch ist mir weder besonders leicht noch besonders schwer gefallen. Es dauerte lang, bis sich bei mir ein gewisser Lesefluss einstellte, aber schon nach den ersten Kapiteln wollte ich immerhin wissen, wie es weitergeht.

Schreibstil (3-4 Lilien)

Dem Schreibstil stehe ich etwas zwiegespalten gegenüber: Einerseits ist er für Jugendliche gut geeignet, einfach, verständlich und angenehm lesbar, andererseits war er mir teilweise nicht anschaulich genug. Es hat lange gedauert, bis vor meinem inneren Auge Bilder entstanden (am Beginn musste ich mir manche Dinge bewusst vorstellen) und bis zur Hälfte des Buches, bis sich ein gewisser Lesefluss einstellte. Zweiteres lag wohl daran, dass sich längere mit sehr kurzen, stakkatoartigen Sätzen abwechselten, sodass das Tempo immer wieder von abgehakt und schnell zu gemächlich und ruhig wechselte. Entweder ich gewöhnte mich mit der Zeit daran oder aber es wurde einfach im Laufe des Buches besser, weil es mir ab einem gewissen Punkt nicht mehr negativ aufgefallen ist. Glänzen kann die Autorin definitiv mit ihren nuancierten Schilderungen der Gefühle und Gedanken ihrer Heldin.

Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien)

„‘Du erkennst die Wahrheit. Ich sehe jeden Tag, wie du nachdenkst.‘
‚Welche Wahrheit?‘
‚Dass sie wie wir sind.‘“ E-Book, Position 1605

Adrienne Young hat mit „Das Herz der Kämpferin“ eine runde Wikinger-Geschichte geschaffen, die uns in eine frühere Zeit entführt und uns das damalige Lebensgefühl näherbringt. Wie genau hier recherchiert wurde und ob ihre (immerhin glaubwürdig klingenden) Schilderungen tatsächlich der damaligen Realität entsprechen, habe ich allerdings nicht überprüft. Die Geschichte ist vielen Bereichen nicht innovativ, sondern bedient sich an bekannten Erzählmustern, jedoch verarbeitet die Autorin ihre Themen zu einer soliden, unterhaltsamen Geschichte und bringt auch genug eigene Ideen ein. Thematisch stehen Familie, Feindschaft, Glaube, Heimat, Erwachsenwerden und das Finden seines eigenen Platzes in der Welt im Mittelpunkt. Auch moralisch schwierige Fragen rund um das Kriegsgeschehen werden thematisiert. Beispielsweise wird die Frage gestellt, ob der Feind tatsächlich von Grund auf so böse ist, wie das schon die Kinder des Clans lernen. Ist er vielleicht menschlicher und dem eigenen Clan ähnlicher als gedacht? Wer sind eigentlich die Guten? Welche Seite ist die richtige? All diese Themen behandelt die Autorin auf für Jugendliche leicht verständliche und zugängliche Weise und regt damit zum Nachdenken an. Dennoch hätte ich mir teilweise noch etwas mehr Tiefe gewünscht, manchmal war hier noch Luft nach oben.

Als problematisch stufe ich die teilweise exzessive Gewalt im Buch ein. Die detaillierte Beschreibung der Schlachten ist eine Sache (dazu kann man stehen, wie man möchte), aber musste diese Folterszene wirklich sein? Muss man ganz genau beschreiben, wie die Heldin völlig skrupellos einem Feind ein Auge rausreißt? Hier wurde meiner Meinung nach eine Grenze überschritten – und ich bin niemand, der jegliche Gewalt in Jugendromanen verteufelt. Zudem war es ein Bruch in Eelyns Charakter – plötzlich wirkte sie empathielos, eiskalt, zu abgebrüht und moralisch fragwürdig, wodurch sie mir in dieser Szene sehr unsympathisch war.

Auch vereinzelte inhaltliche Wiederholungen gibt es: Manchmal scheint die Weiterentwicklung der Protagonistin zum Stillstand gekommen zu sein, in anderen Momenten geschieht sie etwas zu sprunghaft. Ansonsten aber macht die Autorin besonders in der zweiten Hälfte viel richtig, womit sie mich überzeugen konnte, dem Buch statt drei am Ende doch vier Lilien zu verleihen. Das Ende ist dann auch wunderbar rund und ließ mich zufrieden zurück.

Protagonistin & Figuren (5 Lilien ♥)

Hier kann die Geschichte meiner Meinung nach wirklich punkten: Alle wichtigen Figuren sind sehr liebevoll ausgearbeitet, wirken dreidimensional und glaubwürdig. Obwohl ich ja am Beginn der Lektüre nicht gerade begeistert war, merkte ich, dass mir die Figuren am Ende ans Herz gewachsen waren.

Eelyn hat mir als Heldin sehr gut gefallen. Sie ist eine starke Frau, eine geübte Kriegerin, die sich nichts gefallen lässt und furchtlos an der Seite ihres Vaters und ihrer besten Freundin kämpft. Gleichzeitig hat sie aber auch eine nachdenkliche, gefühlvolle und vor allem weiche und verletzliche Seite, die sie den LeserInnen immer wieder offenbart. Ich habe mit ihr mitgefühlt (auch wenn da noch ein kleines bisschen Luft nach oben war) und sie gerne dabei begleitet, wie sie ihren ganz eigenen Weg geht.

„Meine Gedanken rasten wie immer in endlos viele Richtungen und versuchten, irgendwo Halt zu finden.“ E-Book, Position 2275

Liebesgeschichte (5 Lilien ♥)

Auch was die Liebesgeschichte betrifft, kann Adrienne Young punkten. Endlich einmal keine Liebe auf den ersten Blick, sondern eine vorsichtige Annäherung, die durch den Feindesstatus natürlich noch weiter verkompliziert wird. Ich fand diese langsam erwachende Liebe, den respektvollen Umgang und das immer weiter wachsende Vertrauen zwischen Fiske und Eelyn absolut glaubwürdig, realistisch und wunderschön geschildert. Beim Lesen stahl sich manchmal ein kribbeliges Lächeln auf meine Lippen, das sich nicht unterdrücken ließ. So geht Liebe in einem Jugendbuch! Dafür ein großes Lob!

Spannung & Atmosphäre (3 Lilien)

Das Spannungsniveau war trotz einiger fesselnder Passagen leider nicht durchgehend hoch. Am Beginn dauerte es lange, bis die Geschichte an Fahrt aufnahm, und trotz vieler actiongeladener Kampfszenen brach der Spannungsbogen zwischendurch immer wieder ein. Das lag wohl auch an den wenigen Dialogen, die die Geschichte Tempo und Lebendigkeit kosteten. Dennoch habe ich es geschätzt, dass sich die Autorin auch für ruhige, emotionale Szenen Zeit genommen hat, in denen die Figurenentwicklung vorangetrieben werden konnte. Etwas mehr Atmosphäre und mehr anschauliche Beschreibungen hätten ebenfalls geholfen, noch tiefer in diese alte Welt einzutauchen.

Feministischer Blickwinkel (4 Lilien)

Ein Jugendbuch, das den Bechdel-Test bereits auf den ersten Seiten besteht und in dem viele starke Frauen vorkommen, gleichberechtigt an der Seite der Männer in Schlachten kämpfen und Clans anführen, müsste doch eigentlich der Traum einer Feministin sein, oder? Noch dazu gibt es eine weibliche Göttin (endlich!) und Männer dürfen weinen und bekommen oft genug die Gelegenheit, ihre sensible Seite zu zeigen. Warum bekommt der Roman dann nur 4 Lilien in diesem Bereich? Weil teilweise unter der Oberfläche dennoch patriarchalische Strukturen erkennbar waren: Der Vater muss den Heiratsantrag an die Tochter akzeptieren, Fiske ist „der Mann im Haus“, während seine Mutter für den Haushalt zuständig ist. Außerdem fand die Aussage eines Kindes etwas befremdlich, das erleichtert wirkte, dass Eelyn nicht getötet wurde, weil sie „hübsch“ ist. Denn das ist es ja, was bei einer Frau zählt… Wäre es ok gewesen, sie zu töten, wenn sie nicht im klassischen Sinne hübsch wäre? Ihr seht bestimmt, worauf ich hinaus will. Warum gibt es außerdem nur weibliche Sklavinnen? Werden Männer nie straffällig? Dafür wird keine Erklärung genannt. Hier hätte ich mir noch etwas mehr Gleichberechtigung gewünscht.

Aber prinzipiell bin ich mit „Das Herz der Kämpferin“ schon sehr zufrieden. Wenn die Autorin im nächsten Buch noch ein kleines bisschen sensibler mit dem Thema umgeht, wird es mit Sicherheit perfekt werden. Besonders schön fand ich auch die Widmung: „Für Joel, der nie versucht hat, mein wildes Herz zu zähmen.“ Die ganze Welt sollte sich ein Vorbild an Joel nehmen – nirgends auf der Welt sollte man versuchen, Frauen zu zähmen.

* Achtung Spoiler! *

Erfrischend fand ich auch, dass Fiske sich entscheidet, mit Eelyn zu ihr zu ziehen und seine Heimat zu verlassen. In Büchern ist es ja leider meist so, dass die Frau alles hinter sich lassen muss.

* Spoiler Ende! *

Mein Fazit

„Das Herz der Kämpferin“ ist eine solide, runde, unterhaltsame Wikingergeschichte für Jugendliche – mit kleinen Schwächen. Der Schreibstil ist einerseits für Jugendliche gut geeignet, einfach und angenehm lesbar, andererseits war er mir teilweise nicht anschaulich genug. Zudem hat es lange gedauert, bis sich ein gewisser Lesefluss einstellte. Adrienne Young hat mit „Das Herz der Kämpferin“ eine Geschichte geschaffen, die uns in eine frühere Zeit entführt. Die Geschichte ist vielen Bereichen nicht innovativ, jedoch bringt die Autorin auch genug eigene Ideen ein. Thematisch stehen Familie, Feindschaft, Glaube, Heimat, Erwachsenwerden und das Finden seines eigenen Platzes in der Welt im Mittelpunkt. Auch moralisch schwierige Fragen rund um das Kriegsgeschehen werden auf für Jugendliche leicht verständliche und zugängliche Weise thematisiert, wodurch das Buch zum Nachdenken anregt. Dennoch hätte ich mir teilweise noch etwas mehr Tiefe gewünscht. Als problematisch stufe ich die teilweise exzessive Gewalt im Buch ein,  besonders eine Folterszene, die Grenzen überschreitet. Der Spannungsbogen brach leider trotz einiger fesselnder Passagen und actiongeladener Kampfszenen zwischendurch immer wieder ein. Das lag wohl auch an den wenigen Dialogen, die die Geschichte Tempo und Lebendigkeit kosteten. Dennoch habe ich auch die ruhigen, emotionalen Szenen geschätzt, in denen die Figurenentwicklung vorangetrieben werden konnte. Alle wichtigen Figuren sind sehr liebevoll ausgearbeitet, wirken dreidimensional und glaubwürdig. Am Ende des Buches merkte ich, dass mir die Figuren ans Herz gewachsen waren. Eelyn hat mir als Heldin ebenfalls sehr gut gefallen. Sie ist eine starke Frau, eine geübte Kriegerin, die sich nichts gefallen lässt und furchtlos in Schlachten kämpft. Gleichzeitig hat sie aber auch eine nachdenkliche, gefühlvolle und vor allem weiche und verletzliche Seite, die sie den LeserInnen immer wieder offenbart. Ich habe mit ihr mitgefühlt und sie gerne begleitet. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, kann Adrienne Young punkten: Endlich einmal keine Liebe auf den ersten Blick, sondern eine vorsichtige Annäherung, die durch den Feindesstatus natürlich noch weiter verkompliziert wird. Ich fand diese langsam erwachende Liebe, den respektvollen Umgang und das immer weiter wachsende Vertrauen zwischen Fiske und Eelyn absolut glaubwürdig, realistisch und wunderschön geschildert. So geht Liebe in einem Jugendbuch!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 3,5 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Schreibstil: 3-4 Lilien
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Nebenfiguren: 5 Lilien ♥
Liebesgeschichte: 5 Lilien ♥
Spannung: 3 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Ende / Auflösung: 4,5 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4-5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀  Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!