Rezension

Sensible Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema

Der Zug der Waisen - Christina Baker Kline

Der Zug der Waisen
von Christina Baker Kline

Nachdem mich der Klappentext erst sehr für dieses Buch einnahm, bekam ich zwischendurch doch Bedenken, dass es vielleicht ein wenig zu emotional geschrieben sein könnte und zu sehr auf die Tränendrüse drücken könnte, um sich gut lesen zu lassen.
Es gibt ja manchmal Bücher, die einen fast erschlagen mit dem Schrecken, der die Protagonisten erwartet und selbst wenn dies der Realität entsprochen haben mag, finde ich es manchmal dann doch zum Lesen eine etwas arg schwer verdauliche Kost.
Kaum fing ich dann jedoch an, zerstreuten sich diese Bedenken sofort. Es ist ein wunderschön geschriebenes Buch, das auch schwere Zeiten im Leben der Protagonisten schonungslos beschreibt, aber nie so, dass es einen lähmen würde oder das man das Gefühl hat, das Buch aus der Hand legen zu wollen, um endlich durchatmen zu können.

Wunderbare Protagonistinnen in Verbindung mit einer einfühlsam erzählten Geschichte, zwei starke und interessante Charaktere, die sich gegenseitig ergänzen und sich gegenseitig helfen, ihr Leben besser zu erfassen. Das Ganze in einem sehr schönen flüssigen Schreibstil, der eindringlich ist, aber nie auf Effekt aus ist, der den Leser mitzieht und ihn mitfühlen lässt, ohne ihn dabei jedoch zu überfordern.

Als die 17jährige Molly anfängt, im Rahmen eine Jugendstrafe, die sie absolvieren muss, mit der 91jährigen Vivian deren Dachboden zu entrümpeln, ahnt sie noch nicht, wie diese Begegnung ihrer beider Leben verändern wird. Die Gespräche mit Vivian machen ihr auch ihre eigene Situation wieder anders bewusst, ebenso erkennt Vivian, wie sehr sie selber noch mit den Ereignissen aus ihrer eigenen Vergangenheit zu kämpfen hat.
Vivian wurde damals nach dem Tod ihrer Familie mit einem der sogenannten Orphan Trains fortgeschickt. Über 120000 Kinder wurden damals auf diese Weise in neue Heime verteilt, häufig endeten sie jedoch als billige Arbeitskräfte für ihre neuen sogenannten Eltern und hatten wenig bis keine Rechte.

Für mich war dies die erste Begegnung mit diesem Kapitel der amerikanischen Geschichte und ich war tief betroffen und entsetzt, wie mit diesen Kindern umgegangen wurde, auch wenn ich weiß, dass es auch hier in Europa durchaus vergleichbare Dinge gab und es für Waisenkinder in der Zeit (und vermutlich leider nicht nur in der Zeit) niemals leicht war.

Trotz des ernsten Themas, ist dies ein wunderbares und auch positives Buch, das definitiv zu meinen Lese-Highlights des Jahres gehört.