Rezension

So flach die Figuren

So dunkel der Wald - Michaela Kastel

So dunkel der Wald
von Michaela Kastel

Bewertet mit 3 Sternen

Kaum eine kritische Rezension zu dem Buch? Ich bin überrascht. Ja, der Schreibstil ist toll. Schon der erste Satz ein Knaller. "Wir nennen es Sonnentor - das dunkle Loch mitten im Felsen, in das Paps uns wirft, wenn wir nicht artig waren."

Stille, Gestein, Finsternis, Wald. Und Gewalt, sehr viel Gewalt. Mit wenigen markanten Sätzen zieht Michaela Kastel den Leser in ihren düsteren Missbrauchsthriller hinein. Der ganze kranke Irrsinn ist unerträglich greifbar, die Atmosphäre erdrückend.

"Paps". Das ist der fleischgewordene schwarze Mann. Seit Jahren entführt er Kinder, vergewaltigt sie und beschafft sich neue, sobald die Kleinen nicht mehr klein und biegsam sind. Die Großen bringt er nicht etwa um. Es sei denn, es muss sein - weil sie nicht gehorchen wollen. Das passiert nicht selten. Sind sie aber fügsam, dürfen sie mit ihm im einsamen Waldhaus leben. Und damit gleich zu Mittätern werden. Im Mittelpunkt der Handlung stehen Ronja und Jannik. Beide wurden in jungen Jahren entführt, beide sind jetzt volljährig. Nach einem missglückten Fluchtversuch von Ronja mit den zwei Kleinsten, eskaliert die Situation. Jannik tötet Paps.

Das könnte jetzt das wunderbare Ende, eines nicht unwahrscheinlichen Horrorszenarios sein. Doch die Szene steht ganz am Anfang. Und damit ist klar: Der Schrecken ist noch nicht vorbei. Er fängt gerade erst an.

Es ist ein interessanter Ansatz, den die Autorin verfolgt. Opfer-Täter-Transition nennt man das wohl. Leider kommt die Psychologie der Figuren, die für die Geschichte unbedingt notwendig ist, nicht aus den Kinderschuhen heraus. Ihr Seelenleben erstarrt auf halber Strecke, ebenso wie die Handlung, die immer voraussehbarer wird. Vielleicht hätte man auf die kinderlose, ermittelnde Kommissarin verzichten sollen, die fragmenthaft miteingebaut wird und gegen Ende ärgerlich unprofessionell und fahrlässig agiert. Zwischen Mainstreamthriller und intensiver Charakterstudie gelingt der Bogen nicht.

Trotzdem ein beachtenswertes Debüt mit einer Thematik in die ich mich nur sehr widerwillig und eigentlich zufällig verirrt habe, weil das Buch der Tipp einer anderen Leserin war.