Rezension

Spannende Familiengeschichte

Das Unrecht der Väter -

Das Unrecht der Väter
von Ellin Carsta

Bewertet mit 4 Sternen

„...Ohne ein weiteres Wort erreichten sie schließlich den Stamm und kletterten nacheinander daran herunter, bis sie wieder auf sicheren Füßen standen. Erleichtert ließen sie sich zu Boden fallen, eine Weile bewegten sie sich nicht...“

 

Das Zitat stammt aus dem Vorwort des Buches. Leopold, Gustav und Ferdinand, etwa 10 Jahre alt, sind zusammen aufgewachsen. Doch das Geschehen hätte schlimm ausgehen können. Leopold wollte der Größte sein und hat die Gefahr unterschätzt.

Sechzehn Jahre später ist von der Freundschaft der drei Jungen nicht mehr viel übriggeblieben. Zuviel ist in der Zwischenzeit passiert. Charakterzüge, die sich schon 1920 andeuteten, haben sich verfestigt.

Wir schreiben das Jahr 1936. Die Generation ihrer Väter feiert das 15jährige Geschäftsjubiläum. Paul-Friedrich von Falkenbach, Wilhelm und Heinrich Lehmann waren im Ersten Weltkrieg zusammen. Sie haben danach ihre Firmensitze zusammengelegt. Als aber zufällig genau zum Firmenjubiläum eine junge Frau auftaucht und Fragen zu ihrem Vater stellt, der mit den drei Männer zusammen war und den Ersten Weltkrieg nicht überlebt hat, zeigt sich, dass es einen bestimmten Grund gegeben haben muss, der die Männer zusammengeschweißt hat.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.

Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Dazu gehört, dass die Personen gut charakterisiert werden. Während Leopold in die Firma des Vaters eingetreten ist, studiert Gustav in Berlin Medizin. Ferdinand würde gern in der Firma arbeiten, wird aber mit seinen Ideen von seinem Vater ausgebremst.

Die Autorin lässt mich tief in das Familienleben eindringen. Nicht alles läuft harmonisch. Mancher der Söhne bereut schon seine Entscheidung.

Gut gefällt mir, dass die Ehefrauen einen größeren Part in der Handlung bekommen. Sie laufen nicht nur mit, sondern beeinflussen das Geschehen.

Die Geschichte ist eingebettet in die historischen Verhältnisse. Auch in dem kleinen Ort Bernried am Starnberger See hat die Ideologie der Nazis Einzug gehalten.

Während die Väter um Aufnahme in die Partei bitten, sehen das die Söhne teilweise anders.

 

„...Gustav wusste einfach nicht, was er vom Führer selbst zu halten hatte, und ob die, die seine Überzeugungen unter das Volk trugen, die Lage gänzlich erfasst hatten...“

 

Gustavs Schwester Wilhelmine steht nach einer heftigen persönlichen Erfahrung dem Regime kritisch gegenüber. Allerdings muss sie lernen, wesentlich vorsichtiger zu agieren.

Doch nicht nur die Väter verbergen ein Geheimnis, das an keinem Fall an die Öffentlichkeit darf. Leider erfahre ich bis zum Schluss nicht, was damals wirklich passiert ist. Die Bruchstücke, die mir die Herren in verschiedenen Gesprächen servieren, sind vermutlich zum einen geschönt und zum anderen ein ganzes Stück entfernt von der Wahrheit.

Das ist aber nicht das einzige Geheimnis, was sich in der Handlung versteckt,

Die Autorin versteht es, in gut ausgearbeiteten Gesprächen Einblick in die Gedankenwelt ihrer Protagonisten zu geben und gleichzeitig deren Emotionen widerzuspiegeln. In einem Gespräch mit Clara, etwa in der Hälfte des Buches, erkennt Gustav:

 

„...So vieles ist in den letzten Jahren in diesem Land passiert, das ich für ausgeschlossen gehalten hätte. Es ist nicht so, dass mir das gleichgültig ist. Ich habe nur nicht mehr viel Hoffnung, etwas verändern zu können...“

 

Eines wird an verschiedenen Stellen deutlich. Der Erste Weltkrieg hat bei den drei Männer sehr unterschiedliche Spuren hinterlassen. Vergessen hat keiner, was geschehen ist. In einem aber sind sie sich sicher. In den nächsten Jahren wird es keinen Krieg wieder geben. Genau wegen dieser Einstellung fällt einer der Söhne kurzfristig eine vermutlich fatale Entscheidung.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Trotzdem gibt es nur vier Sterne. Cliffhanger sind bei einem Mehrteiler in Ordnung, aber mehrere lose Enden müssen nicht sein.