Rezension

spannender Beginn, zäher Mittelteil, actionreiches Ende

Secrets - Ich fühle - Heather Anastasiu

Secrets - Ich fühle
von Heather Anastasiu

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die 17-jährige Zoel lebt in einer Gesellschaft, die komplett gesteuert und überwacht wird. Jeder Mensch trägt einen Chip, der ihm Informationen zukommen lässt, Gehorsam gewährleistet und sämtliche Gefühle abschaltet. Dies soll dem Schutz der Menschheit dienen, die sich einst durch starken Hass beinahe selbst ausgelöscht hat.
Als Zoel beginnt, sich aus dem sogenannten Link zu lösen, eröffnet sich ihr eine ganze neue Welt voller Farben und schwer greifbarer Emotionen. Sie ist verunsichert, da ihr jahrelang eingeimpft wurde, jedes anormale Verhalten zu melden. Aber was würde eine Selbstanzeige für sie bedeuten? Doch dann erfährt sie, dass sie nicht die einzige Unverbundene ist und ihre Gesellschaft nicht so funktioniert, wie ihr immer vorgemacht wurde...
Ich lese gern Dystopien, weil ich die unterschiedlichen Entwicklungen unserer Welt immer sehr spannend finde. Die Idee des Buches – die technische Überwachung und Steuerung der Bevölkerung – erschien mir nicht unbedingt neu, trotzdem empfand ich das Gesamtkonstrukt der Lebensweise als sehr faszinierend.
Zunächst konnte mich die Geschichte absolut packen. Zoe, wie sie lieber genannt wird, ist völlig überfordert mit den auf sie einströmenden Eindrücken und Gefühlen, die sie alle nicht kennt. Sie kann die Verbindung zum Link nicht steuern und läuft ständig Gefahr, entdeckt zu werden. Ihre Gefühle sind sehr nachvollziehbar geschildert, die Ich-Perspektive ist ideal, um mitzuerleben, was der Teenager durchmacht.
Einen kleinen Dämpfer erhielt ich in der Mitte des Buches, das so angelegt ist, dass sich ein Teil der Handlung quasi wiederholt. Dabei nimmt eine recht unsympathische Figur einen größer werdenden Raum ein, die mich anzustrengen begann, sodass sich das Buch im Mittelteil für mich ein wenig zog.
Zum Ende hin wurde es aber wieder richtig spannend. Eigentlich denkt man, klar zu wissen, wer auf welcher Seite steht und lässt sich von aufkommenden Verschwörungstheorien zunächst nicht verunsichern. Doch es folgen viele unerwartete Ereignisse, sodass plötzlich nichts mehr sicher erscheint. Das Tempo und die Dramatik nehmen bis zum großen Finale immer weiter zu.
Am Ende ist ein großer Handlungsstrang abgeschlossen, trotzdem bleibt das Schicksal vieler Figuren noch offen und es sind noch etliche Fragen ungeklärt.
Wie bereits erwähnt, gefiel mir die Ich-Perspektive gut, um Zoes vielfältigen Gefühlslagen mitzuerleben. Nur wenn sie unverbunden ist, nimmt sie die Welt in all ihren Farben, Gerüchen und Formen wahr und beschreibt diese schön anschaulich.
Zudem erhält man aufgrund der Perspektive nur eine eingeschränkte Sicht auf die Handlung, was die Spannung, was um Zoel herum wirklich vor sich geht, erhöht.
Allerdings beginnen Zoes Gedanken und Gefühle irgendwann, sich regelmäßig zu wiederholen. Beispielsweise läuft ihr im Verlauf der Geschichte gefühlt 200 Mal Wasser aus den Augen, was auch immer wieder so benannt wird. Am Anfang war dies sehr passend, denn woher soll das Mädchen wissen, was Tränen sind? Doch nachdem sie diese entsprechende Bezeichnung kennt, wirkt das ständige Laufen des Wassers doch etwas eigenwillig.
Mitreißender, spannender Einstieg mit einer sympathisch-aufgewühlten Protagonistin. In der Mitte zieht es sich leider ein wenig, das nachfolgende Verwirrspiel, bei dem man nicht mehr weiß, was man glauben kann, entschädigt aber dafür und lässt mich mit Neugier auf die Fortsetzung zurück.