Rezension

Tiefe Abgründe

Die falsche Zeugin -

Die falsche Zeugin
von Karin Slaughter

Karen Slaughter ist für mich ein Garant für perfekt inszenierte und genial ausgeklügelte Thriller. Vorallem ihre Grant-County-Reihe rund um Gerichtsmedizinerin Sara Linton habe ich vor einigen Jahren verschlungen. Umso gespannter war ich auf das neueste Werk der Autorin und natürlich auch neugierig, ob Karen Slaughter mich auch mit einen Einzelband überzeugen kann.

Die falsche Zeugin handelt von Leigh, einer Anwältin, die beauftragt wird die Verteidigung eines mutmaßlichen Vergewaltigers zu übernehmen. Was Leigh nicht ahnt: sie wurde nicht zufällig ausgewählt. Die beiden kennen sich aus der Vergangenheit. Einer Vergangenheit die von Gewalt und Missbrauch geprägt ist. Und der Fall könnte Leighs komplettes privates und berufliches Leben für immer zerstören. Denn ihr Mandant weiß, welche Geister Leigh seit ihrer Kindheit verfolgen.

Karen Slaughter hat einen hochspannenden, die meiste Zeit über extrem fesselnden Pageturner zu Papier gebracht. Aber Achtung: Das Buch ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Die Autorin ist bekannt für ihre sehr bildhaften und ins Detail gehenden Beschreibungen und auch hier macht sie davon Gebrauch. Man sollte sich beim Lesen auf explizite Beschreibungen der Tatorte und Hergänge einstellen; brutale und schockierende (Vergewaltigungs)Szenen, die nichts für schwache Nerven sind.

Die Handlung selbst umfasst zwei Zeitebenen - Leighs und Callies (Leighs Schwester) Vergangenheit und die Gegenwart, in welcher der Prozess und die Vorbereitungen für diesen stattfinden. Nebenbei lässt sie auch die aktuelle Corona-Politik in den USA mit in die Handlung einfließen. So erfahren wir Häppchenweise was sich damals zugetragen hat und welches Geheimnis Leigh so vehement zu schützen versucht.
Karen Slaughter lässt uns dabei tief in die Psyche ihrer Protagonisten blicken - in dunkle Abgründe und zerstörte Seelen. Dabei dreht sich alles um Schuld und Gerechtigkeit, um richtig und falsch. Und der Grat dazwischen ist schmal. Ich liebe einfach die Vielschichtigkeit, die Karen Slaughter ihren Charakteren verleiht. Diese sind größtenteils nicht einfach nur gut oder nur böse, sondern sie bewegen sich auf Pfaden dazwischen.
Und so habe ich gespannt verfolgt welche Entscheidungen Leigh trifft, habe mir ihr gezittert und gelitten.
Karten Slaughter hat mich auch eine packende, emotionale und intensive Fahrt mitgenommen, die gerade zum Ende hin mit einigen Schockmomenten und überraschenden Wendungen gepunktet hat.

Wie gesagt, ich fand den Plot genial und ich feiere den bildgewaltigen Stil von Karen Slaughter. Allerdings gab es eine Sache, die mir dann doch zu ausschweifend war. Leighs Schwester Callie ist drogenabhängig. Und als würde dieses Wissen nicht ausreichen, verliert sich die Autorin immer wieder in Callies Drogenproblem. Sie schildert sehr detailliert und langwierig was die Drogen mit Callies Körper und Geist machen....und das nicht nur einmal. Immer wieder tauchen wir in Callies von den Drogen gezeichnete Gedankenwelt ab. Mir war das dann doch zuviel des Guten, sodass ich diese Passagen irgendwann nur mehr überflogen habe.

Abgesehen davon hat mich Karen Slaughter mit ihrem Stand Alone absolut überzeugt. Klare Leseempfehlung!

Fazit

Wie weit würdest du gehen, um deine Lieben zu beschützen? Diese Frage habe ich mir mehrmals gestellt.

Intensiv, aufwühlend, schockierend und packend! Die falsche Zeugin ist ein Einzelband, der uns in die tiefen Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Karen Slaughter schreibt authentisch, bildhaft und und ungeschönt, was Brutalität und Gewalt betrifft. Das Buch ist nichts für schwache Nerven, aber absolut lesenswert.