Rezension

Brutal spannend - typisch Slaughter

Die falsche Zeugin -

Die falsche Zeugin
von Karin Slaughter

Bewertet mit 5 Sternen

Leigh ist Anwältin und wird von einem Mandaten angefordert, der ihr irgendwie bekannt vorkommt. Er wird beschuldigt zahlreiche Frauen vergewaltigt und schwer verletzt zu haben. Dann erkennt Leigh wen sie da vor sich hat und sie beschleicht ein ungutes Gefühl. Doch es wird noch viel schlimmer kommen…

Schon der Beginn in 1987 hat es in sich und gibt Slaughter-Neulingen einen guten Einblick in das, was sie noch erwartet. Da ich Slaughter-Fan bin, habe ich erst gar nicht nach dem Klappentext geschaut, sondern einfach das Buch besorgt. Klar, sie überzeugt mich nicht immer, aber wirklich enttäuscht hat sie mich noch nie - hier auch nicht, soviel sei schon verraten.

Leigh ist, genauso wie ihre Schwester Calllie, an sich ein sehr sympathischer Mensch, aber die Umstände haben beide stark verändert. Jede geht mit den erlittenen Traumata anders um, nur wirklich aufgearbeitet haben es beide nicht und das führt bei der einen zu einer sehr harten Schale und Schuldgefühlen, bei der anderen mündet all das in selbstzerstörerischem Verhalten und starkem Drogenkonsum. Die beiden verlieren einander immer wieder aus den Augen, dabei sind sie nicht nur durch ihre Kindheit in einem gewalttätigen Elternhaus, sondern auch durch ein dramatisches Ereignis, von dem niemand ahnt, auf immer miteinander verbunden. Genau dieses Geheimnis bedroht nun ihre Leben und das Leben ihrer Lieben. Es scheint keinen Ausweg zu geben, ihr Gegenspieler hat sie in der Hand… Dieser Gegenspieler und auch weitere Charaktere sind facettenreich ausgearbeitet.

Zwischendurch hatte ich auch mal eine Lesepause eingelegt, nicht, weil mich das Buch nicht gefesselt hätte, sondern einfach, weil ich nicht mehr in diese Welt aus Kindesmissbrauch, Gewaltexzessen und Drogenkonsum eintauchen wollte. Gewöhnlich bin ich nicht so ein Sensibelchen, aber hier ist es echt heftig, wirkt super authentisch und ich denke, dass man sich eine Pause auch gönnen darf. Inhaltlich bleibt sowieso das Wichtigste dank der eindrücklichen, bildhaften Sprache sehr präsent – ob man das nun will oder nicht. Aber das ist nun einmal typisch Slaughter. Sie geht über Grenzen und das schätze ich auch so an ihren Büchern. Hier ist nichts weichgespült, sondern schonungslos, brutal. Mir erscheint es auch authentisch, soweit man das als „braver“ Leser, der sich in solchen Kreisen nie bewegt hat, beurteilen kann. Gelungen ist auch der schwarze Humor, der immer und immer wieder durchkommt und mich auch manches Mal – wenn auch mit ein wenig Wiederwillen - ein bisschen schmunzeln ließ.
Als ich das Buch dann weiterlas, hat es mich gut unterhalten und ich fand es einfach nur spannend. Vieles ist nicht ganz so, wie es zunächst den Anschein gemacht hatte, einiges ist echt überraschend und vor allem hat die Autorin wieder auch einiges an Raffinesse an den Tag gelegt – ich möchte da nicht ins Detail gehen, um nicht zu viel zu verraten.
Was ich jedoch direkt verrate: Das Buch spielt hauptsächlich 2021 und mal da, mal dort bemerkt man auch die Coronapandemie. Es ist nicht zu exzessiv eingebaut, aber manche wollen davon ja möglichst wenig wissen oder zumindest beim Lesen das Thema abschalten, daher diese Info.

Insgesamt hat mich dieses Buch mindestens so sehr gefesselt wie es mich abgestoßen hat. Genau das habe ich erwartet und daher kann ich nicht anders, als das Buch zu empfehlen und mit 4,5 Sternen zu bewerten.