Rezension

unbequem und doch berührend

MTTR -

MTTR
von Julia Friese

Bewertet mit 4 Sternen

Allein das Cover weckt Neugierde: ein Titel ohne Vokale, die Abbildung einer Gebärmutter - hier kann es dann ja eigentlich nur um das Muttersein gehen, wenn auch MTTR von der Autorin gleich im Vorspann als "Mean Time To Recovery" erklärt wird. Und damit ist auch der Zeitraum festgelegt, um den es im Roman geht, vom positiven Schwangerschaftstest bis zum ersten Arbeitstag mit dem einjährigen Kind in der Kita.

Der Inhalt ist damit eigentlich schon beschrieben, nur geht es  hier nicht um eine Friede-Freude-Eierkuchen-Schwangerschaft. Denn Teresa, die Mama werden will, ist gleichzeitig von Ängsten regelrecht durchsetzt, was sich im ersten Drittel auch als Gedankenprotokoll niederschlägt, bei dem die Sätze nicht immer vollständig sind, teilweise auch nur aus einem Wort bestehen. Und der Grund der Ängste um das Thema "gute Mutter sein" wird auch schnell in den Szenen klar, in denen die Großelternpaare des Kindes auftauchen.Mit der Geburt verändert sich der Schreibstil, zum Gedankenprotokoll kommen hier auch Eindrücke von außen dazu. Und zum Ende hin, in der Teresa dann das Mamasein erprobt, wird es nahezu normale Prosa.

Schon die Inhaltsbeschreibung hatte mich stark an Karin Strucks Roman "Die Mutter" erinnert. War 1975 der Fokus noch stärker auf dem alten Männerbild, dem Zwang zum häuslichen Dasein als Mutter und der Wunsch nach Selbstverwirklichung im Vordergrund (auch damal als eine Art Gedankenprotokoll im Sinne der neuen Subjektivität), geht es jetzt um den Widerspruch des vermeintlich esoterischen Geburtserlebnis und dann der Wirklichkeit im Krankenhaus und den Versuch, dem Baby gerecht zu werden, ohne selbst dabei drauf zu gehen.

Mir fehlt zwar der persönliche Vergleich, aber dennoch meine ich abschätzen zu können, dass dieser Bericht einer gefühlten Überforderung doch die Wirklichkeit in vielen Fällen treffen dürfte, auch wenn die wenigsten darüber reden. Nur mit der Altersbeschreibung komme ich nicht zurecht, denn wenn die Protagonistin ein Millenial ist, wäre ich fast im Alter der Eltern, die mir vom Verhalten aber eher wie meine Eltern vorkommen.

Man muss sich auf den Roman einlassen können, kann ihn auch nicht unbedingt genießen, aber wird schon irgendwie in Teresas Gedankenwelt hineingezogen.