Rezension

Viel Magie und Kreativität

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel -

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
von Douglas Westerbeke

Bewertet mit 4 Sternen

Eine magische, abenteuerliche, rastlose Reise durch die Welt mit vielen unterirdischen, mysteriösen Bibliotheken – so verbringt die Hauptperson Aubry Tourvel, Französin aus Paris, ihr ungewöhnliches Leben. Mit neun Jahren von einer bisher unbekannten Krankheit befallen, muss sie nach 3-4 Tagen zu einem ihr bisher unbekannten Ort weiterziehen, sonst stirbt sie. Diese Informationen gibt Aubry, noch keine 30 Jahre alt, an eine Familie auf einer Fähre in Siam weiter, wo ihre Blutungen abrupt aufhören. Im Rückblick geht es dann um einen dämonischen Wunschbrunnen im Innenhof in Paris im Jahr 1885, um einen magischen Holzball.  Das im Schriftzug ältlich gestaltete Cover deutet diese wirre Weltreise über Gebirge, Flüsse, Meere, Moore etc. klar an. In dieser Verbannung voller Einsamkeit, angewiesen auf Nächstenliebe und Almosen, wünscht sie sich in der Rückschau, eine bessere Tochter und Schwester gewesen zu sein. Zusammen mit den vielen Märchenbestandteilen wie Qalima – der Wunsch-Erfüllerin, zahlreichen auftauchenden und verschwindenden Türen im Terra Obscura zu unterirdischen Bibliotheken, Dialoge mit der Krankheit, Holzball und Wunschbrunnen gehört dieser Roman eher in das Genre Fantasy und spricht vielleicht eher Jugendliche an, mit Andeutungen kurzer Liebesbeziehungen und Fragen nach dem Sinn des Lebens. Aubrys Leben, bisher voller Schmerz, immer nur ein Kampf ums Überleben, nur Zurückweisung des sesshaften Lebens. Diese Bibliotheken als Orte der Unlogik jenseits von Zeit und Raum, wo Wissen erst gesammelt und gespeichert wird, um dann ungelesen brachzuliegen, dienen der mittlerweile weißhaarigen Audry als ruhevoller, erholsamer Ort, um ihr eigenes Leben in Buchform festzuhalten, immer noch wütend wegen allem, was sie verloren hat, ihre Kindheit, ihre geliebten Familienmitglieder und Freunde, auch die malariakranke Journalistin Marta trotz all dem Wissen und der Erkenntnisse aus Büchern. Die Metapher des jungen Jägers, dem Ende seiner Blindheit und Rückkehr zu seiner vorherigen Welt mit ganz neuem Verständnis, zeigt Audry endlich, wozu Wissen gut ist. Etwas verwirrt landet sie schließlich am Amazonas im Dorf der verlorenen Kinder mit Vicente Quevedo. Ein paar Fäden werden schlüssig verbunden, wie immer voller Magie. Die Idee einer solch kuriosen Krankheit verbunden mit weltweiter Verbannung gefällt, auch wenn der Spannungsbogen durch zu viele Bibliotheksbesuche nachlässt. Der bildliche Sprachstil wird bereichert durch Lebensweisheiten. Ein kreativer Roman!