Rezension

Wenn sich dein ganzes Leben als eine Lüge herausstellt...

H.O.M.E. - Das Erwachen - Eva Siegmund

H.O.M.E. - Das Erwachen
von Eva Siegmund

Bewertet mit 5 Sternen

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Dein ganzes Leben ist in Ordnung, alles hat seinen Platz, du weißt, wer du bist, wo dein Zuhause ist und wer deine Freunde sind. Du hast einen Platz in der Welt, eine Aufgabe. Und auf einmal wachst du auf, und ein Arzt mit viel zu markanten Augenbrauen erklärt dir, dass alles, was du gekannt und geliebt hast, bloß Einbildung war."

Zoë hat alles, was sie sich wünschen kann: Sie hat einen Freund, mit dem sie glücklich ist, besucht eine sehr gute Akademie mitten im Grünen, und wurde als Kapitän für die wichtige Mission ausgewählt, für die die Kinder und Jugendlichen an der Akademie augebildet werden. Ihr Leben ist wunderschön, zumindest glaubt sie das - bis sie eines Tages aufwacht und erfahren muss, dass sie die letzten zwölf Jahre im Koma gelegen hat. Mehr noch, die Welt um sie herum könnte nicht weiter von der Realität in ihrem Kopf entfernt sein. Zoë erwacht in einem Krankenhaus mitten in einem Berlin, in dem Wassermangel an der Tagesordnung ist. Und nicht nur dort, sondern auf der ganzen Welt leiden die Menschen Durst. Die politische Lage ist angespannt, täglich fallen zahlreiche Menschen ins Koma oder sterben. Dass Zoë nach all der Zeit wieder aufwacht, gleicht einem Wunder.

Von einem Tag auf den nächsten ist die Siebzehnjährige dieser für sie so fremden Welt ausgesetzt, lernt ihre Familie kennen, die für sie doch nur wildfremde Menschen sind, und muss akzeptieren, dass nichts so ist wie sie glaubte. Doch dann mehren sich die Flashbacks, immer wieder hat Zoë den Eindruck, zurück auf dem Gelände der Akademie zu sein. Und noch viel wichtiger - wie kann es sein, dass ein Mensch, der mit fünf ins Koma fiel, lesen und schreiben kann, komplexe Rechnungen im Kopf löst, mehrere Fremdsprachen fließend spricht und auch sonst über umfangreiches Wissen jeder Art verfügt? Für Zoë liegt die Erklärung auf der Hand: Ihr Koma muss mehr als das gewesen sein, die Akademie muss existieren. Dafür, dass sie kein reines Hirngespinst sein kann, spricht auch die Tatsache, dass es irgendjemand plötzlich auf Zoë abgesehen zu haben scheint und hinter ihr her ist...

Die Welt, die die Autorin entwirft, beschreibt eine gar nicht mal so unwahrscheinliche Version unserer möglichen Zukunft. Nach großen Dürrephasen klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, der Kontrast ist riesig zwischen jenen, die genug Geld haben um gleich am Anfang der Krise weiter in die Länder im Norden zu ziehen, wo es noch genügend Wasser gibt, und jenen, die jeden freien Quadratzentimeter ihrer Wohnung mit Schüsseln und Schalen verstellen, um jeden Tropfen Wasser recyceln zu können. Oder jenen, die längst kein Dach mehr über den Kopf haben und für die auch die "günstigeren" Flaschen Wasser, die es für 15 Euro pro Liter noch zu kaufen gibt, vollkommen unerschwinglich sind. 

Ich bin sehr positiv überrascht. Ich hatte nichts Bestimmtes erwartet, habe dann aber schon nach wenigen Seiten den Sog verspürt, den dieses Buch ausübt. Es hat mich schlicht in seinen Bann gezogen und ich konnte es kaum mehr weglegen. Zoë, ihr Bruder Tom und dessen Kumpel Kip sind sympathische Protagonisten, in Zoë konnte ich mich zu jeder Zeit gut hineinversetzen. Das Buch ist sehr spannend geschrieben, gleich zu Beginn werden viele Fragen aufgeworfen, die man als Leser genauso sehr lösen möchte wie Zoë. Die Spannung wird auch bis zum Ende aufrecht erhalten und steigert sich im Laufe der Zeit noch, auch wenn man natürlich nach einer Weile gewisse Theorien im Kopf hat, wie alles zusammenhängen könnte. 

Der Schreibstil ist sehr ansprechend, die Thematik spannend und gut umgesetzt. Insgesamt hat mir das Buch unerwartet sehr gut gefallen und ich bin gespannt auf den zweiten Teil!