Rezension

Winterkinder

Winterkinder - Owen Matthews

Winterkinder
von Owen Matthews

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

 

 

 

Owen Mathhews erzählt uns hier seine Familiengeschichte. Dabei beschränkt er sich jedoch auf den Teil, der Russland entstammt.

 

Die Geschichte beginnt in der kommunistischen Sowjetunion mit seinem Großvater Boris Bibikow.

Während das Land geplagt wird von Not und Hunger, so geht es ihm und seiner Familie noch ziemlich gut. Er ist Mitglied der Partei und so durch das Leid geschützt, bis zu jenem schicksalsträchtigen Tag, an dem er bezichtigt wird ein Verräter zu sein. Er wird gefangen genommen, verhört und schließlich zu einem Geständnis gezwungen, das sein Todesurteil war.

 

Währenddessen wird auch seine Familie inhaftiert, denn die Familie eines Verräters ist ebenfalls feindlich zu betrachten. Seine Frau kommt in ein Arbeitslager, seine beiden Töchter zunächst in ein Jugendgefängnis, bis dieses angesteckt wird.

Die beiden Mädchen Ljudmila und Lenina werden fast auseinandergerissen, doch der Besitzer eines Waisenhauses hat Mitleid und nimmt beide mit.

 

Zunächst geht es ihnen gut, sie haben zwar nicht viel zu essen, doch sie gehen zur Schule und haben einander, doch dann werden sie tatsächlich getrennt. Viele Jahre soll es dauern, bis sie sich wiedersehen.

 

Lenina ist es gut ergangen, sie hat gute Arbeit gefunden, lebt ein gutes Leben, als sie mit einem Verwandten ihres Chefs in ein Waisenhaus gehen soll um dort ein Kind herauszuholen. Überraschenderweise finden sie nicht nur dieses Kind, sondern auch ihre Schwester Mila. Endlich sind sie wieder vereint, auch wenn es Mila schlecht geht.

 

Sie leben nun wieder zusammen und führen ein glückliches Leben. Doch Mila verliebt sich in einen Engländer, Owen Matthews Vater Mervyn. Mervyn ist ein talentierter junger Mann, doch als er sich nicht vom KGB anwerben lässt, gerät er in große Schwierigkeiten. Der Hochzeitstermin wird annulliert und er des Landes verwiesen.

 

Auf die beiden Liebenden folgen sechs lange Jahre der Sehnsucht, bis sie endlich ihren Kampf gewinnen um dann zu merken, dass die Liebe vor allem auf Papier in ihren leidenschaftlichen Briefen existierte.

 

Owen wiederum lernt ein anderes Russland kennen als seine Verwandten, ein Russland der Dekadenz, der Lust und der Ausschweifung. Ihn zieht es aufgrund seiner Wurzeln hier her und er später merkt er, dass er seinem Vater sehr ähnlich war.

 

 

 

 

Meine Meinung

 

 

 

Mit meiner Zusammenfassung habe ich mich bemüht wichtige Angelpunkte darzustellen. Niemals könnte ich mit wenigen Sätzen das ausdrücken, was uns dieses Buch vermittelt.

Es ist ein Stück lebendiger Geschichte, das eine gewisse Art von Exotik übermittelt und doch zugleich Heimeligkeit transferiert.

 

Es ist seltsam, wir erleben hier keine überaus spannenden Momente, wir werden auch nicht von wunderschönen Beschreibungen umschmeichelt und dennoch ist dort etwas in der recht kühlen Schreibweise des Autoren, das uns in eine andere Welt hineinzieht und bezaubert und träumen lässt.

Seltsam angesichts der kaputten und grausamen Welt, die er uns beschreibt.

Aber genau das ist es, was hier geschaffen wird. Kleine Inseln der Liebe, Zusammengehörigkeit und Nähe in einer grausamen Welt, in der man eigentlich niemandem trauen könnte.

 

Sehr gut gefallen hat mir auch die Zeitreise die wir im Prinzip machen. Wir erleben Russland in verschiedenen Zeiten, die jede ihren Reiz hat aber auch abschreckend auf den Leser wirkt. Und dennoch können wir nur all zu gut nachvollziehen, warum es die beiden Männer der Familie Matthews so sehr dahin zieht, sie fesselt und nicht mehr loslässt.

 

Sehr bewegend ist auch die Liebesgeschichte, die einem Märchen gleicht, sogar ihr Ende, das ein jähes Erwachen nach sich zieht. Mit der Beschreibung, wie sich die beiden wieder bekommen und anfangs nichts mit sich anfangen können, da sie sich gegenseitig heroisiert hatten, erzählt Owen uns ein wirklich sehr privates Detail seiner Familiengeschichte. Eines das er sicherlich schwer zu verdauen hatte. Denn wie soll man als Kind damit umgehen, dass die Liebe der eigenen Eltern so sehr gemindert wurde nur da sie sich nun eigentlich ohne jedes Hindernis lieben dürften.

Doch er verschweigt dies nicht, gibt dem Ganzen damit einen verständlichen, sehr ehrlichen und authentischen Charakter.

 

Das einzige, was mich ein wenig verwirrt hatte, war dass er in Kapiteln, in denen er über das Leben seines Vaters schrieb seine eigenen Erfahrungen voran setzte. Dies hatte einen sehr guten Grund, den man erst später versteht. Doch es verwirrt ein wenig beim Lesen. Denn die Erlebnisse der beiden Männer sind gar nicht so unähnlich, so stolpert man das eine oder andere mal darüber.

 

Der Sinn dahinter war zu verdeutlichen, wie ähnlich die beiden sich sind und das obwohl Owen am Anfang gar nicht so viel für seinen Vater übrig hatte, wie übrigens auch sein Vater einen Groll gegen den eigenen Vater hegte.

Geschichte wiederholt sich und auch Familiengeschichte. Wir sind alle in gewisser Weise die Spiegel unserer Eltern. Und auch wenn Owen sehr viel von seiner Mutter geerbt hat, so muss er doch feststellen, dass auch der Charakter seines Vaters in im Platz gefunden hat.

 

Dieses Buch ist nicht nur für den Leser gedacht, der damit ein wunderschönes Stück Geschichte erhält, die sehr nahe geht. Der Schriftsteller hat dieses Buch auch für sich selber geschrieben um mit sich selber zu verhandeln, sich Sachen eingestehen zu können und anderen Menschen zu danken, die im nahe sind.

 

Für mich war das Buch perfekt. Ich liebe Geschichte, kann jedoch mit kalten Daten und Fakten nicht all zu viel anfangen. Ich brauche lebendige Geschichte, die einem nicht nur die Tatsachen übermittelt, sondern auch wie die Menschen all das erlebten. Und genau dies haben wir hier. Wir schauen hinter die Kulissen, wir erleben die Menschen in ihrer Zeit, was einen bleibenden Abdruck hinterlässt.

 

 

 

 

Fazit

 

 

 

Ein gelungenes Buch, das einen bezaubert, einen in eine andere Zeit entführt und einen hautnah die Geschichte einer Familie in mehreren Generationen näher bringt.