Rezension

Ach, Harry!

Harry Potter and the Cursed Child. Pts. 1 + 2
von Joanne K. Rowling Jack Thorne John Tiffany

Bewertet mit 5 Sternen

Dies wird keine Buchbesprechung. Für Inhalte ist es noch zu früh; trotz Spoilerknopf ist zu schnell zu viel verraten und etliche warten ja noch auf die deutsche Übersetzung... Nein, keine Buchbesprechung - vielmehr der Versuch, meine Gefühle zu besprechen --- davon gab es reichlich! Und wer weiß? Vielleicht findet sich der ein oder andere darin wieder...

Meine Besprechung der Gefühle beginnt mit Angst. Schon als die Gerüchte um eine Fortsetzung aufkamen war ich skeptisch. Warum noch mehr? Es war doch alles erzählt, Frau Rowling wirkte wie eine, die sich an Pläne hält und der Plan sah vor, dass Schluß war. Sieben Bände, so sollte es sein - eine feine Zahl, die einem Magier gerecht werden würde. Die geliebte Welt weiter ausschlachten? Des schnöden Mammons wegen?? Ach, Harry!

Doch die Gerüchte hielten stand, verdichteten sich und bald war die Rede von einem Theaterstück. Einem Stück, dass J.K. Rowling zusammen mit anderen schrieb. Oh nein! Kein gutes Gefühl. Grummeln im Bauch. Was sollte das denn jetzt? Sie, die nie etwas aus der Hand gab, den Buchverkauf über jede Landesgrenze hinweg bis ins kleinste Detail vertraglich regeln ließ, bei den Verfilmungen streng mitsprach und von der man auch sonst wusste, dass sie Harrys Welt gut zu verteidigen wusste, ließ andere mit-schreiben? Schließlich wurde bekannt, dass es nicht nur das Theaterstück gäbe, sondern es würde für alle (damit Fans, die das schnell ausverkaufte Stück auch erleben würden können) als Skript in Buchform erhältlich sein. Ich zweifelte. Wäre das lesbar? Und auch (das war dann die innere Buchhändlerin): Wäre das verkäuflich?? Erinnerungen an in der Schule zu lesende Theaterstücke brandeten in mir hoch - teils hatten sie mir wohl gefallen, aber wie einen Roman verschlungen hatte ich sie allesamt nicht. Würde also das Skript eines Theaterstücks noch genug Zauber in sich tragen?

Mit entsprechend niedrigen Erwartungen blickte ich dem Tag entgegen, an dem ich nach Feierabend in unsere Buchhandlung eilte, um mir ein eigenes Exemplar zu erwerben. Als es soweit war, war ich doch gebührend aufgeregt. Hinter mir lagen bereits etliche Wochen, Tage und Stunden beharrlicher Arbeit, um einen guten Teil der Erstauflage überhaupt in unsere Buchläden zu bekommen; den Kollegen und mir zeigte sich nämlich recht schnell, dass der Hype um Potter nach wie vor zündete. Jetzt war es also soweit. Da war das Buch, das es an sich nicht geben sollte. Golden und samtig lag es in meiner Hand. Es war... Doch! Es war ein gutes Gefühl. Richtig gut. Mit jeder Menge Vorfreude und Kribbeln im Bauch.

Noch im Stehen an der Kasse blätterte ich die ersten Seiten auf. Und was soll ich sagen? Schon die Widmungen fand ich klasse. Erleichterung breitete sich in mir aus. Wird so schlimm schon nicht werden. Schmal ist es zwar, aber dieses Buch werde ich genießen. Jetzt, ausgelesen und um eine weitere Episode aus der Welt des Harry Potter verzaubert, kann ich berichten: Die Angst hatte mich recht schnell verlassen, die Vorfreude ebbte langsam ab und alles war einer in jeden Winkel kriechenden nostalgischen Sehnsucht gewichen. Ja, man liest ein Bühnenstück, die Geschichte ist auf Dialoge komprimiert und um wohldosierte Regieanweisungen ergänzt - doch das innere Auge sieht weit, schließlich kennt es sieben dicke Romane ausführlichst beschriebene Potter-Welt nebst drei Buch-im-Buch-Büchlein. Es war so schön, zurück zu sein, Liebgewonnenes wiederzusehen und ein weiteres Mal ein spannend-magisches Hoch auf die Freundschaft erzählt zu bekommen. Angefühlt hat es sich wie eine Abschiedstournee, ein allerletztes Zusammensein bevor der Vorhang fällt. Und genau das ist es ja auch. Eine Hommage von einem Drehbuchschreiber und einem Regisseur an die große J.K. Rowling. Und ein Loslassen ebenjener Autorin von ihrem liebsten Protagonisten. Ach, Harry.