Rezension

Außergewöhnlich klug und scharfsinnig

Americanah - Chimamanda Ngozi Adichie

Americanah
von Chimamanda Ngozi Adichie

Bewertet mit 5 Sternen

„Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie

Selbst wenn es der deutsche Klappentext vermuten lässt: „Americanah“, das neueste Buch von Chimamanda Ngozi Adichie, ist KEIN Liebesroman. Zwar verlieben sich die beiden Hauptfiguren, Ifemelu und Obinze, tatsächlich ineinander, verlieren sich bevor sie sich viele Jahre und viele Erfahrungen später wieder treffen. Doch die Liebesgeschichte bildet lediglich den äußeren Rahmen für die Geschichten, die Adichie tatsächlich erzählen will. Es sind andere Themen, die den Kern und die Faszination des Buches ausmachen.

 

„Americanah“ ist vor allem ein sehr klug komponierter Roman über die Hoffnung auf ein gutes Leben und den Preis dafür, über Klassenbewusstsein und Rassismus weltweit, über das, was Migration mit einem Menschen macht, was es bedeutet sich in fremden Gesellschaften auf die ein oder andere Art durchzuschlagen. Es ist ein Buch über Risiken und Chancen des Lebens in unserer globalisierten Welt.

 

Ifemelu und Obinze lernen sich während ihres Studiums kennen. Beide entstammen der gebildeten nigerianischen Mittelschicht, beider Leben verläuft in eher ruhigen Bahnen. Da die Lern- und Lebensbedingungen in Nigeria zu wünschen übrig lassen, hoffen die meisten der Studenten auf einen Studienplatz in den USA. Und Ifemelu gelingt es einen solchen zu ergattern. Doch der Neuanfang auf dem fremden Kontinent fällt schwer.

Sie ist einsam und das Geld reicht bei weitem nicht. Die Hoffnung, schnell einen Nebenjob zu finden, zerschlagen sich, es hagelt Absagen. Schnell wird ihr klar, dass Herkunft und Hautfarbe das Problem sind. Sie entwickelt ein feines Gespür für Rassismus und Diskriminierungen im Alltag. Ihre Erfahrungen damit verarbeitet sie in einem Blog: „Raceteenth oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen“ nennt sie ihn und wird damit so erfolgreich, dass nicht nur ihre finanziellen Schwierigkeiten der Vergangenheit angehören. Sie bekommt große Anerkennung für das was sie schreibt und attraktive Stellenangebote.

Die Blogbeiträge, die Adichie geschickt in die Handlung einflicht, sind in der Tat bemerkenswert. Sie beobachtet scharf und kommentiert bissig und treffsicher. Egal, ob es um, nicht-existente, Schmink-Tipps für schwarze Frauen in us-amerikanischen Modezeitschriften geht, um die richtige Frisur für Vorstellungsgespräche, denn nur geglätte Haare scheinen Personalchefs das erforderliche Maß an Anpassung an die westliche Welt zu signalisieren, oder um die Schwierigkeiten Adoptiveltern für schwarze Babies zu finden: Ifemelu stellt diese Themen mit ihrem Blog zur Diskussion und die Resonanz ist gewaltig.

 

Parallel zu Ifemelus Leben in den USA erzählt Adichie Obinzes Geschichte. Die beiden hatten ausgemacht, dass Obinze ihr nach einer gewissen Zeit nachfolgt, doch während der ersten, schwierigen Monate bricht Ifemelu den Kontakt zu ihm ab.

 

Als seine Mutter, eine Wissenschaftlerin, nach Großbritannien eingeladen wird, begleitet Obinze sie. Er setzt sich ab und bleibt illegal im Land. Es folgt eine harte Zeit, die er nur mit Hilfe einiger wohlmeinenden Menschen meistern kann. Die Angst entdeckt zu werden begleitet ihn ständig. Er bemüht sich um eine Scheinehe, doch der Plan fliegt auf und Obinze wird abgeschoben.

Zurück in Nigeria hat er Glück: Es gelingt es ihm sich als erfolgreicher Geschäftsmann zu etablieren, er gründet eine Familie.

 

Auch Ifemelu, von Heimweh getrieben, kehrt zurück nach Nigeria. Sie treffen sich wieder. Obwohl die Erfahrungen der letzten Jahre zwischen ihnen stehen, spüren sie immer noch eine große Verbundenheit.

Adichie ist ein mitreißender Roman gelungen, in dem sie sich, intelligent und scharfsinnig, so kontroversen Themen wie Migration, Rassimus und Diskriminierung widmet. Trotzdem wird es nie trocken, theoretisch oder gar polemisch. Was sie schreibt ist klar und reflektiert. Vieles entstammt sicherlich ihrem eigenen Erfahrungsschatz, denn Adichie, aufgewachsen in Nigeria, ging mit 19 Jahren zum Studium in die USA.

Einziger Kritikpunkt an diesem außergewöhnlichen Buch ist leider die deutsche Übersetzung. Das englische Original liest sich wesentlich flüssiger, ist sprachlich geschliffener und der ein oder andere Übersetzungsfehler findet sich leider auch in der deutschen Fassung. Also besser in Englisch lesen, es lohnt sich aber in jedem Fall.