Lebendiger Roman einer tollen Erzählerin!
Bewertet mit 4.5 Sternen
Schon als Teenager werden Ifemelu und Obinze ein Paar. Ifemelu ist klug, ehrgeizig und eher impulsiv. Sie fühlt sich etwas als Außenseiterin: Können doch die allermeisten ihrer Klassenkameraden mit Reisen in Ausland und recht imposanten Häusern aufwarten. Sie selbst kommt aus einfachen Verhältnissen. Dass ihr Vater seine Arbeitsstelle verliert, macht es nicht leichter. Obinze hat einen akademischen Hintergrund, seine Mutter ist Professorin. Er ist der Ruhepol, der Nachdenkliche und er ist sich sicher: Ifemelu und er gehören zusammen!
Doch aus verschiedenen Gründen trennen sich die Wege der beiden. Vergessen können sie einander nicht. Und auch wenn es ein wenig so klingen mag: Hier darf man keine kitschige Liebesgeschichte erwarten! Rassismus, Auswanderung und Identität sind neben der Liebe die großen Themen des Romans. Es macht Spaß mitzuerleben, wie Ifemelu sich in Amerika neu erfinden muss und welchen Weg sie dabei geht. Auch Obinzes Geschichte, die einem einerseits die Ausweglosigkeit, andererseits die rasanten Aufstiegsmöglichkeiten zeigt, die Nigeria zu bieten hat ist sehr interessant.
Wer üppige Gegenwarts- oder Familienromane mag, wird auch "Americanah" gerne lesen. Für mich lebte die Geschichte von ihrer Fülle: Da ist die Haarflechterin im schäbigen „African Hair“-Salon, Ifemelus Tante Uju, Obinzes sympathische Mutter, alte Schulfreunde, die sich, Ifemelus Partner, Cousin Dike oder die zerbrechliche Kimberley. In die Leben all dieser Personen werfen wir einen Blick, der mal kürzer und mal länger ausfällt. Und über sie alle hätte ich noch weit ausführlicher lesen mögen. Das macht für mich Lebendigkeit des Romans aus. Adichie schafft es, dass man komplett in das Leben ihrer Protagonisten eintauchen kann und dabei durch deren Erfahrungen und Begegnungen auch ständig etwas neues über sie lernt.
Viele wichtige Gedanken stecken in diesem Roman, der sich trotz vielfältiger Themen nie verzettelt. Durch die umfangreichen 600 Seiten hat es mich schnell gezogen. Wenn ich etwas zu kritisieren habe, dann nur, dass mir das Ende irgendwie zu glatt gelaufen ist. Ich hatte noch einen Paukenschlag erwartet, der letztlich ausgeblieben ist.
Adichie ist in meinen Augen einfach eine tolle Erzählerin. Allein dafür lohnt es sich, auch zu ihren anderen Romanen zu greifen. "Americanah" hat mich begeistert mit seiner lebendigen, authentischen Geschichte, die gekonnt Unterhaltung und Substanz vereint!