Rezension

Rassismus in den USA

Americanah - Chimamanda Ngozi Adichie

Americanah
von Chimamanda Ngozi Adichie

Bewertet mit 3 Sternen

Dieser Roman wird ja sehr gelobt und gehypt und dafür gibt es sicherlich gute Gründe, aber es ging mir bei ihm so, dass ich ihn, je länger ich las, um so weniger mochte.

Wer kennt sie nicht, die Schlagzeilen, wenn in den Staaten schon wieder ein Mann mit schwarzer Hautfarbe „versehentlich“ von Polizisten erschossen wurde? „Americanah“ ist folgerichtig ein notwendiger Roman über Rassismus. C.N. Adichie widmet sich indess, jenseits der großen Linien, vor allem einer Spielart des Rassismus, der mittels penetranter Nadelstiche den Alltag schwarzer Menschen durchsetzt. Warum muss Rassimus überhaupt ein Thema sein? fragt sie empört. Die Bitte, einfach einmal zuzuhören, geht zu Herzen.

Die Protagonistin Ifemelu kommt aus Nigeria, um in den Staaten fertig zu studieren und erleidet in den USA einen Kulturschock. Selbst in den Kreisen, in denen sie eigentlich akzeptiert ist, wird sie als arme Verwandte gehandelt, von der man Dankbarkeit erwartet oder dass sie sich ihrer privilegierten Stellung wenigstens bewusst sein soll, daher rührend, dass sie im Ausland leben und studieren kann. Andere Demütigungen, als sie sich auf Arbeitssuche gibt, sind nicht so subtil.

„Americanah“ ist sicherlich ein wichtiges Buch, einfach, weil es klar macht, dass Rassismus uns noch lange beschäftigen wird. Rassismus wird besonders bei den liberalen Demokraten der USA immer wieder heiß diskutiert. Dennoch ist sein allgegenwärtiges subtiles Vorhandensein in gewisser Weise in der westlichen Hemisphäre ein Tabu und Reizthema geblieben. Trotz des brisanten Sujets weist „Americanah“ jedoch auch Schwächen auf. Ein spät fallender Schlüsselsatz dient als entsprechender Hinweis:

„I don’t want to explain, I want to observe”.

Mit der Weigerung, Erklärungen bzw. Diskussionen aufzunehmen, geht eine gewisse Weinerlichkeit einher, die besonders durch die Inanspruchnahme auf Exklusivität betont wird: Niemand wird so sehr diskriminiert wie die Schwarzen, weder die Frauen in Indien, noch die vergasten Juden im Nationalsozialismus, noch die ebenfalls stets verfolgten und gesellschaftlich ausgeschlossenen Romas und Sintis, etc. etc. Wenn die Autorin lamentiert, die millionenfache Verfolgung/Ermordung der Juden durch die Jahrhunderte hindurch, geschähe wenigstens aus Neid auf deren Geschäftstüchtigkeit, also Diskriminierung aus „positiven Gründen“, die Schwarzen aber würden verachtet, also Diskriminierung aus „negativen Gründen, dann ist die Autorin in meinen Augen total drüber, m.a.W. das ist grotesk.

Das reine Beobachtungselement bedeutet auch, dass der Roman an der Oberfläche bleiben will und sich eben nicht auseinandersetzt, er will sich beklagen und dabei bleibt er stehen. Genau wie seine Hauptfigur. Nicht einmal wird der bedeutsame Unterschied zwischen Schamkultur (Nigeria) und Schuldkultur (USA) angedeutet, obwohl doch dieses Element ursächlich für das Scheitern von Ifemelus Partnerschaften in den USA ist, einen anderen kann ich jedenfalls nicht erkennen.

Was den Hauptcharakter des Romans betrifft: Ifemelu ist selbstzentriert und deshalb fällt es schwer, sich empathisch auf sie einzulassen. Ich erwarte von einem Autoren jedoch nicht, dass ich seine Figuren mag. Die Sprache der Autorin ist einfach und eingängig, angenehm, doch gibt es kaum Sätze, die man sich notieren möchte. Hin und wieder holt sie zu weit aus, und diese Langatmigkeit ist nicht immer verzeihbar. Über Nigeria erfährt man kaum etwas. Über die Dramaturgie und Struktur des Romans kann man sich streiten, was heißt, man kann es besser machen.

The Lovestory? The Lovestory is good.

Fazit: "Americanah" bringt den Rassimus als äusserst wichtiges Thema wieder aufs Tapet, ein gesellschaftliches Verdienst, aber ein brisantes Tabuthema aufzulegen allein, reicht nicht aus, große Literatur zu schaffen.

Kategorie:
In:  Anspruchsvolle Literatur: 2 Punkte
In : Gute Unterhaltung: 4 Punkte
Verlag: Fischer, 2016

Kommentare

Naibenak kommentierte am 31. Mai 2016 um 09:40

Oh interessant, Wanda! Steht bei mir auch noch ungelesen im Regal. Nachdem ich so einige sehr positive Stimmen vernommen habe, habe ich es mir letztes Jahr zugelegt ;) Schön, auch eine andere Sichtweise zu lesen! Danke, bin gespannt auf mein Urteil ;)

wandagreen kommentierte am 31. Mai 2016 um 09:49

Ja, ich auch!