Rezension

~*°..Gebrochene Seelen..°*~

Wir haben Raketen geangelt - Karen Köhler

Wir haben Raketen geangelt
von Karen Köhler

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist eine Welt voller Emotionen, in die ich mit Karen Köhler eintauche. Während wir sanft und behutsam durchs Wasser gleiten, tanzen über uns die Wellen, laut und heftig. Auf ungewohnt leichtfüßige Art und Weise erzählt mir die Karen Köhler in ihrem Debüt neun Geschichten voller Trauer und Schmerz. Jede einzelne offenbart eine dramatische Lebensgeschichte.

Es sind allesamt Geschichten von gebrochenen Seelen: Lebenswege von Frauen, in denen Liebe, Schmerz und Verlust eine große Rolle spielen. Köhlers Geschichten sind einzigartig und berühren. Und obwohl jede Geschichte für sich alleine steht, scheinen ihre Protagonisten eines gemeinsam zu haben: den Wunsch nach Seelenfrieden.

“Wir fahren mit Wind in den Fenstern. Wir fahren mit Musik in den Ohren. Wir sind zwei Delphine im Wasser. Einer davon ist fast blind. Wir könnten Helden sein. Nur für einen Tag. Ich, ich wäre der König. Und du, du wärst die Königin.”

Zitat, Seite 80

Es sind kleine Universen, die in Köhlers “Wir haben Raketen geangelt” zerbrechen. Universen von Frauen, die Phasen von Einsamkeit, Wut, Trauer und Verlust durchleben. Köhlers Zeilen sprühen dabei vor Intensität und sprachlicher Finesse.

Trotz ihrer Schwere gelingt es Köhler ihren Erzählungen einen aufgeschlossenen und leichtfüßigen Charme zu verleihen. Sie schenkt ihren Zeilen Intensität und Lebendigkeit. Während des Lesens scheint sich Zeit und Raum zu verlieren. Man wird eins mit den Geschichten, ein Wegbegleiter der Protagonisten und reist mit ihnen um den gesamten Globus.

So machen wir die ungewöhnlichsten Entdeckungen und lauschen unserem Innersten. Dabei angeln wir Raketen, begegnen einem Indianer in der Wüste, beherbergen schwarze Tränen in unserer Hosentasche, verspüren Geruchs-Fata-Morganas und erleben in einem abgelegenen Hochstand im dunklen Wald einen Jahrhundertherbst. Wir finden heraus, was Armut und Einsamkeit tatsächlich bedeutet und wie gut es uns allen tatsächlich geht.

“Ich weiß, dass das hier eine Scheißwüste ist, in der ich gestrandet bin, und ich 'weiß, dass da eben jemand war, mit Federhaube, der mir zu trinken gab und eine Träne von Mutter Erde. Weil ich aber nicht weiß, wie dieser Traum weitergeht, stecke ich das Steinchen in meine Hosentasche und warte.”

Zitat, Seite 39

Auf die einzelnen Erzählungen aus “Wir haben Raketen geangelt” möchte ich ungern eingehen, weil ich glaube, dass ihre Magie unter anderem vom Überraschungseffekt leben und ich dieses berauschende Erlebnis niemandem vorwegnehmen möchte.

Sicher ist, dass dieser Erzählband etwas ganz Besonderes für mich ist und es einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen wird. Eigentlich bin ich für Kurzgeschichten überhaupt nicht zu haben. Oft bin ich enttäuscht, wenn großartige Geschichten bereits nach wenigen Zeilen schon wieder enden. Oft springt erst gar nicht der Funke über. Köhlers Erzählungen sind anders. Sie besitzen etwas Besonderes. Sie umschmeicheln mich. Lassen mich sehnsuchtsvoll die nächste Seite umblättern und stimmen mich nachdenklich. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass jemand sich diesem magischen Sog, der von Köhlers Geschichten ausgeht, entziehen kann.

Die liebevolle Illustration des Buches, sowohl Einband, als auch die passende Zeichnung am Beginn jeder Geschichte, setzen dem Buch die verdiente Krone auf. Auch sie stammen von der Autorin. Ich liebe dieses Buch und freue mich schon auf eine erneute Begegnung und hoffe auf ein baldiges Nachfolgewerk.

“Ich weiß, ich schulde dir alles. Eine Erklärung. Eine Antwort. Ein Leben vielleicht.”

Zitat, Seite 91

“Ich möchte etwas sagen, irgendetwas, aber ich bin leer, mir fällt nichts ein, nichts, was nicht belanglos wäre. Die Zeit wird dick und ich unter ihrem Gewicht ganz krumm. Mit jedem Augenblick, der verstreicht, wird das Schweigen zwischen uns größer, und die Möglichkeit, es zu überwinden, schrumpft zu einem sehr überschaubaren Häufchen.”

Zitat, Seite 150

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. November 2014 um 16:48

Dass das Buch so viele Metaphern enthält, die einfach krumm und schief sind, sprich falsch, hat bewirkt, dass ich es nicht ganz so hoch angesiedelt habe in der Bewertung, obwohl es eine gewisse Frische hat und ich es deshalb auch mochte. Schönes Beispiel mit der dicken Zeit, deren Gewicht .. Zeit ist nun einmal unsichtbar und immateriell, hat keine Dichte und keine Dicke und schon gar keine Masse ...