Rezension

Der Affe!

Inspector Swanson und der Fluch des Hope-Diamanten - Robert C. Marley

Inspector Swanson und der Fluch des Hope-Diamanten
von Robert C. Marley

„Wieder ein schrecklicher Mord in Whitechapel.“

Steampunk? Ja, gern. Krimi? Nein, danke. Viktorianischer Krimi? - Betrachten wir es als ein Arrangement dem ich mich hingeben kann. Aye, Jack the Ripper, ein solch ewig durchgekautes Motiv in der Literatur (und im Film). Und ja, da findet sich ein Schmarrn zusammen über die Zeit, das bestreitet sicher niemand. Und dann geht es eben darum jene Geschichten zu finden, die irgendwie glaubwürdig sind. Und wenn man diesem Buch glauben darf, dann hat sich Autor Marley ein viertel Jahrhundert gegönnt um alles zusammenzutragen. Wenn dem wirklich so ist, dann Hut ab vor so viel Motivation zur Rechercheambition. Ich wünschte mehr Autoren würden noch so arbeiten und nicht nur suchmaschinen und surfen. Leider aber kann es genau deswegen auch passieren, dass es zu echt wird und kein richtiger Flair einer Geschichte aufkommen will.

Dieses Buch hat also ganz klar den Anspruch authentisch zu sein, bedient sich der originalen Ermittler als Protagonisten und beruft sich auf viele weitere dokumentierte Möglichkeiten der Fallaufklärung. Wir aber starten am 7.8.1888 in London und finden die Leiche einer namenlosen Bordsteinschwalbe, erdolcht mit 39 Stichen zweier unterschiedlicher Waffen. Auftritt Swanson: ja wie sieht er denn aus? Die ersten Szenen rauschen nur so dahin und bringen die ersten ermittlungstechnischen Aufgaben mit sich. Man erfährt ein wenig vom drum herum, zum Beispiel, das das derzeitige Scotland Yard zu eng geworden ist. Dann geht es nahtlos weiter zu den Zeugenaussagen und auch an den Details in Richtung Arbeitszuweisungen und Delegationen wird nicht gespart. Spannend ist es aber natürlich erst einmal gar nicht. Denn der Inspector und sein kleiner Phelps müssen erst mal alles zusammen tragen und fleißig eben jene Notizbücher füllen, nach denen später so ein Roman wie Marley ihn geschrieben hat, entstehen kann.
 

„Constable Nummer 97-J.“

Ach, merkte ich das schon an? Ich bin mal wieder nicht chronologisch. Es gibt einen Vorgängerteil, vielleicht fehlte mir deshalb so ein Hauch mehr Beschreibung für Swanson. Aber wollen wir mal nich’ päpstlich sein, denn hinten bei ist ja eine Fotografie des Inspectors abgedruckt. Doch trotz Anschauungsmaterial zieht sich der Fall ein wenig hin. Liegt auch daran, das verdammt viele Namen fallen die man nicht alle sofort auf der Schnur hat. Es bleibt auch viel an Charakternähe auf der Strecke, wenn man Swanson als Protagonist betitelt aber viel mehr unterwegs ist mit dem jungen Barrister Montague John Druitt, dem man sogar beim Verlieben zusehen darf.

Über allem aber bleibt das viktorianische Zeitalter wunderschön dargestellt. Schön, wenn man seine Freude an der Düsternis hat. Leichenschau, sabotierte und boykottierte Polizeiarbeit, nicht schwer vorstellbar, wie schwer die Ermittlungen damals gewesen sein müssen. Der ein oder andere Dichter läuft uns über den Weg mit Hang zu exzentrischer Lebensweise, deutsche Immigranten begegnen uns und auch die Royalen geben sich kurz die Ehre. Darüber hinaus scheint Toilettenpapier eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen und an Erfindungen mangelt es auch nicht, so munkelt man es gäbe die Möglichkeit den letzten Blick eines Sterbenden mittels einer Iriskamera sichtbar zu machen. Ich befürchte diese Entwicklung haben wir bis heute nicht erreicht. Laut den damaligen Ärzten jedoch, wird das schon noch irgendwann passieren.
 

„Schwer im Kommen?“

Die Aufmachung gefällt mir sehr gut. Das verwendete Bildmaterial auf dem Cover ist zwar nicht sehr ausgefallen aber passend arrangiert zum Thema. Interessanter gestaltet sich der Innenteil, welcher unterteilt wird mit kleinen Grafiken, nebst jeweils äußerst amüsanten Randbemerkung aus: „Ein Kriminalbeamten-Tagebuch á la mode“: „(…)Bei Dienstschluss beende ich die Woche damit, mich selbst zu verhaften!“ (S. 335)
Auch untereinander haben die Herren viele Spitzen verschossen und sich gegenseitig mit Blicken erdolcht, ich hatte jedoch das Gefühl, dass sich alles sehr neutral anfühlt. Fragte mich jedoch, wie ein paar der Akteure auch, wenn Swanson nun vom Fall abgezogen war, wieso er dennoch weiter seine Nase da hinein steckte.
Und während am Anfang noch das Datum angegeben wird, fehlt es mir hinten heraus bei dem ein oder anderen kleinen Zeitsprung.
 

Fazit:

Das Goulston-Street-Grafitto, sowie die festgesetzten Verdächtigen, die Befragungen und der „Dear Boss“-Brief kommen einem dann doch bekannt vor. Ebenso wie die ein oder andere Theorie zur Lösung der Mordserie, beziehungsweise deren Beweggründe.
Alles in allem würde ich sagen, das ganze Ensemble fühlte sich sauber an. Wirklich interessant, weil immer verzwickter, wurde es gegen Ende. Die Platzierung gewisser Hinweise jedoch, ohne dass ich nun spoilern möchte, war aber doch zu durchsichtig. Gut, „Es war der Gärtner!“ war es in diesem Fall sicher nicht, aber wirklich überrascht war ich dann von der hier gebotenen Auflösung nun auch nicht. Ich bin kein ausgemachter Krimi-Leser, weshalb ich nicht weiß, soll das so sein? Und was mir halt wirklich fehlte war die Nähe zu Swanson. Es wird kurz erwähnt er würde zu seiner Familie gehen und wird dort auch geweckt. Aber alles in allem, war der leitende Ermittler alles andere als ein herausragender Protagonist. Er war eher wie alle anderen Personen vorhanden und beteiligt. Schön fand ich das Nachwort des Nachfahren.

Urteil: Können wir nicht noch einmal die Orang-Utan Theorie in Betracht ziehen?