Rezension

Dieses Buch rüttelt auf

Der Garten der verlorenen Seelen - Nadifa Mohamed

Der Garten der verlorenen Seelen
von Nadifa Mohamed

Bewertet mit 5 Sternen

Ich wusste bislang nicht viel über Somalia. Gelegentlich hört man mal etwas in den Nachrichten und achtet nicht weiter darauf. Jetzt bin ich wach und werde in Zukunft besser zuhören. Dieses Buch rüttelt auf.

Nach einem Militärputsch in den 60er Jahren herrscht in Somalia eine kommunistische Diktatur, die auf brutalste Art das Volk in die Schranken weist. Ein Menschenleben zählt nicht. 1987 bahnt sich ein Bürgerkrieg an, um dieses Terrorregime zu stürzen. Die Anfänge dieses Krieges erlebt man hier mit. Man blickt in das Leben dreier sehr unterschiedlicher Frauen.

Kawsar ist Ende 50, hat genug Geld und ein eigenes Haus am Rande von Hargeisa. Sie ist alleine. Ihr Ehemann und ihr einziges Kind sind gestorben. Jetzt ist ihr Garten ihr Lebensinhalt, wo sie für jede Fehlgeburt einen Baum gepflanzt hat. Sie ist bewegungsunfähig ans Bett gefesselt, nachdem sie von einer Soldatin verprügelt wurde und hängt ihren Erinnerungen nach. Stück für Stück erfährt man ihre traurige Geschichte.

Filsan entstammt einer Familie von Militärs, ist eine junge Soldatin und linientreu. Sie hat gelernt, dass Befehle kritiklos zu befolgen sind. Sie ist stolz darauf, daran mitzuwirken, die Ordnung im Land aufrecht zu erhalten, das von Rebellen terrorisiert wird, wo Korruption an der Tagesordnung ist und wo altmodische Clanstrukturen auszumerzen sind. Frauen haben inzwischen die gleichen Rechte wie Männer, in der Theorie jedenfalls. Filsan lernt, dass der Weg nach oben auf der militärischen Karriereleiter über Leichen führt. Es braucht einige grauenhafte Erlebnisse bis sie anfängt, ihr anerzogenes Weltbild zu überdenken.

Deqo ist neun Jahre alt und in einem Flüchtlingslager aufgewachsen. Das Waisenhaus des Lagers hat sie verlassen. Sie fühlt sich sicherer mit einem selbstbestimmten Leben auf der Straße, hat eine gut versteckte Regentonne gefunden, in der sie schlafen kann, verkauft Fallobst auf dem Markt um zu überleben. Eine Zeit lang kann sie sogar als Dienstmagd in einem Bordell arbeiten. Dann ändert der beginnende Krieg die Rahmenbedingungen, die Deqos Sicherheit gewährleistet haben.

Die Geschichten dieser drei Frauen erzählen eindringlich vom Leben in einer brutalen Welt voller Willkür. Manchmal kann man kaum glauben, was man da liest, auch wenn wirklich grauenhafte Ereignisse beinahe sachlich geschildert werden. Für Kawsar, Filsan und Deqo ist das Alltag, was für uns wie die Hölle auf Erden klingt.
Der Schreibstil ist wirklich eindrucksvoll. Man kann sich alles sehr gut vorstellen, die Landschaft, die Menschen und auch die Gräuel.

Zum Ende hin, wenn der Krieg Formen annimmt und der Irrsinn eskaliert, treffen sich die drei so unterschiedlichen Heldinnen und finden gemeinsam einen Weg aus dem Horror, was mich sehr überrascht hat. Zwischenzeitlich meint man, dass da niemand überleben kann.
Man bleibt aufgewühlt und erschüttert zurück mit der Aussicht auf ein Licht am Ende des Tunnels, ein kleines bisschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Dieses Buch hat mich durch und durch gefesselt.