Rezension

Ein Thriller mit dem gewissen Extra

Opferzeit - Paul Cleave

Opferzeit
von Paul Cleave

Bewertet mit 5 Sternen

Joe Middleton, der Schlächter von Christchurch, wartet im Gefängnis auf den Beginn seines Prozesses. Ihn erwartet womöglich die Todesstrafe. Doch dies ist nicht die einzige Bedrohung, denn seine ehemalige Geliebte, die berüchtigte Melissa X setzt alles daran, Joe vor Prozessbeginn auszuschalten. Er kennt ihre wahre Identität und er kann sie belasten. Wird es ihr gelingen, ihren Plan in die Tat umzusetzen und kann Joe, der nach wie vor seine Unschuld beteuert, der Verurteilung entgehen?

Mein Lese-Eindruck:
Vorweg muss ich sagen, dass ich den Vorgänger "Der siebte Tod" nicht kenne und daher völlig ahnungslos in "Opferzeit" eingestiegen bin. Zudem habe ich von Paul Cleave bisher auch kein anderes Buch gelesen und war daher mit seinem Schreibstil nicht vertraut. Aus diesem Grund hatte ich zunächst leichte Einstiegsprobleme, die aber nach den ersten Kapiteln nachhaltig überwunden waren, denn Cleave versteht es den Leser zu packen und mit rasantem Tempo durch die Geschichte zu tragen.

Der Einstieg hat es bereits in sich und ohne detailiert auf den Inhalt einzugehen (Spoiler wird es hier nicht geben), kann ich sagen, dass ich zu keiner Zeit das Gefühl hatte, dass Cleave die Handlung unnötig ausweitet (und das trotz des Umfangs von beinahe 700 Seiten). Die Geschichte umfasst im Kern nur die wenige Tage vor Prozessbeginn, in denen allerdings eine Menge passiert. Der Leser erhält intensiven Einblick in die Gedanken und Gefühlswelt der einzelnen Personen, dabei bleibt Cleave wertungsfrei und überlässt es dem Leser selbst Schlüsse zu ziehen. Selten war ich so unsicher und hin- und hergerissen in der Einschätzung der Charaktere und noch nie hatte ich keinen Sympathieträger in einem Buch. Und vielleicht ist es gerade das, was mich fesseln und begeistern konnte.

Ein kleiner Kritikpunkt bleibt dennoch: Die dargestellte Polizeiarbeit konnte mich nicht so recht überzeugen. Hier hatte ich einige Male den Eindruck, dass es in der Realität anders ablaufen würde.

Zum Stil:
Cleave verwendet verschiedene Erzählperspektiven, die es dem Leser ermöglichen sich schneller zurechtzufinden. Neben einem flüssigen und detailierten Schreibstil sprechen mich die gut gewählten Kapitellängen, die den Leser Stück für Stück mit Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln versorgen, an. Der Plot ist geschickt aufgebaut, die Handlungsstränge stark miteinander verwoben, sodass Cleave die Spannung konstant steigern kann. Man erhält Kapitel für Kapitel einen losen Faden mehr an die Hand, am Ende kann man diese losen Enden dann miteinander verknüpfen und erhält eine schlüssige Geschichte, die mit unerwarteten Wendungen und Überraschungen aufwarten konnte. Das Besondere allerdings ist nicht die spannende Handlung, auch nicht der widersprüchliche, psychopathische und undurchschaubare Protagonist Joe, sondern der unglaublich skurrile, schwarze Humor, mit dem Cleave seine gesamte Geschichte spickt. Besonders die schwer verdaulichen und perfiden Szenen gewinnen durch diesen Humor regelrecht an Unterhaltungswert. Noch nie habe ich bei einem Thriller so oft schmunzeln oder sogar laut lachen müssen. Sicher nicht jedermanns Fall, meiner aber umso mehr.

Fazit:
Wer ungewöhnliche Thriller gepaart mit schwarzem Humor mag, der kommt an diesem Buch nicht vorbei. Es lohnt sich sicher "Der siebte Tod" vorab zu lesen, damit der Einstieg in "Opferzeit" leichter fällt. Ich werde das bestimmt noch nachholen. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen und eine satte Kaufempfehlung!