Rezension

Familiensaga über mehrere Generationen

Die langen Tage von Castellamare - Catherine Banner

Die langen Tage von Castellamare
von Catherine Banner

Bewertet mit 5 Sternen

Auf der fiktiven winzigen Insel Castellamare vor der Küste Siziliens ist das „Haus am Rande der Nacht“ ein beliebter Treffpunkt der Insulaner. Dort spielen die alten Männer Karten, tratschen die Frauen, trinken die Gäste Limoncello und verehren alle ihre heilige Sant’Agata. Ihr Vertrauen in sie und ihre Segnungen vereint die Bewohner. Aberglaube und Tradition gehören zum Inselleben. Die Familien leben seit Generationen auf der Insel. Sie kennen die Geheimnisse ihrer Nachbarn noch vor dem Betroffenen selbst. 1914 lässt sich dort der 40jährige Amadeo Esposito, ursprünglich ein Findelkind aus Florenz, als Inselarzt nieder, auf der Suche nach einem Zuhause und dem Leben, nach dem er sich immer gesehnt hat. Beides findet er, als er die clevere Witwe des Schulmeisters, Pina, heiratet. Sie gründen eine Familie und betreiben im Haus am Rande der Nacht eine Bar. Amadeo und später auch seine Nachkommen verursachen Skandale, um sie ranken Gerüchte und Tratsch. Ihr Leben über vier Generationen steht im Mittelpunkt. Obwohl die Insel isoliert ist, ist das dortige Leben nicht immer idyllisch und geht das Weltgeschehen nicht an ihr vorbei. Die beiden Weltkriege, der Faschismus unter Mussolini, die Weltwirtschaftskrise, die Bankenkrise, der Massentourismus, das Internet führen auch auf ihr zu Veränderungen. Das Leben der Espositos und anderer Insulaner wird so plastisch dargestellt, dass der Leser eine gute Vorstellung von der jeweiligen Zeit und der kleinen Insel erhält. Die eingeschworene Gemeinschaft überwindet alle Schwierigkeiten. Die Leute halten zusammen, kümmern sich umeinander und geben so ein gutes Vorbild. Für einige wird die Insel zu klein und sie träumen davon, sie zu verlassen, für andere bleibt sie immer ihr Zuhause. Oft fühlte ich mich quasi hineingesetzt auf die Veranda des Hauses am Rande der Nacht. Die Geschichte ist einfach erzählt, ohne große Handlung, aber genauso ist sie perfekt.

Integriert in diese Familiensaga sind Volksmärchen und Erzählungen, die Amadeo in einer roten Kladde für seine Nachkommen aufgeschrieben hat – es sind Geschichten über Heilige und Wunder, über die Bewohner der Insel, erfunden und wahr. Darunter sind  schöne Auszüge der Italienischen Volksmärchen von Italo Calvino.

 

Eine wunderschöne Familiensaga, die der erste Roman für Erwachsene der Autorin ist.