Rezension

Traurig schöne Geschichte ♥

Aufstieg und Fall großer Mächte - Tom Rachman

Aufstieg und Fall großer Mächte
von Tom Rachman

Bewertet mit 4 Sternen

~~Tooly Zylberberg, glückliche (wenn auch nicht gewinnbringende) Besitzerin einer Buchhandlung irgendwo auf dem Land in Wales, verbringt den Gr0ßteil ihrer Zeit mit Lesen. Eine Geschichte jedoch entzieht sich ihrem Verstehen hartnäckig: ihr eigenes Leben. Als kleines Kind entführte sie der eigene Vater (aus guten Gründen), später wurde sie auch ihm entrissen. Sie wuchs auf in Asien, Europa und den USA, aber wer waren die Menschen, die sie großzogen? Und was geschah aus ihnen?
Da war der griesgrämige Humphrey, der Schach und Bücher über alles liebte und mit schwerem russischen Akzent sprach; da war die charmante aber unberechenbare Sarah; und da war Venn, der charismatische, exzentrische Alleskönner, der eines Tages plötzlich verschwand – dessen Einfluss auf Tooly jedoch immens war. Ein Dreieck, in dem Tooly versuchte, Grund unter die Füße zu bekommen, während das Leben sie durch die Luft wirbelt, wie von Propellern getrieben.
Jahre später hat Tooly die Hoffnung,  je zu begreifen, was geschah, aufgegeben. Doch dann erreicht sie die E-Mail eines Ex-Freundes, und die Rätsel von damals sind wieder da. Sie treiben Tooly – und den Leser – auf eine Jagd durch Zeiten und Orte, von Wales nach Bangkok, nach New York, nach Italien, von den 1980er Jahren zur Jahrtausendwende bis in die Gegenwart, vom Ende des Kalten Krieges zu Aufstieg und Schwanken amerikanischer macht bis zur digitalen Revolution unsere Tage.
Und langsam kommt Licht ins Dunkel.

Toolys Geschichte bzw. Leben ist einfach unglaublich. An vielen Stellen habe ich mich gefragt, ob das wirklich so möglich ist. Vom Vater wird sie  entführt und lebt mit ihm unter anderem in Bangkok.  Im Alter von 10 Jahren wird sie dem Vater entrissen und wächst bei einer Frau, einem alten Mann und einem Charmeur auf. Diese Drei prägen Tooly. Machen sie zu einer Diebin, Betrügerin, einem Menschen der nicht fähig ist zu lieben, zu vertrauen … zu bleiben. Sie ist immer auf der Flucht …  auf der Flucht vor zu viel Nähe … der Liebe und Zuneigung anderer Menschen … der Flucht vor dem eigenem Leben … Als sie es endlich schafft sesshaft zu werden, sich eine Buchhandlung kauft, bricht eine E-Mail verheilte Wunden und Narben wieder auf …

Puhh … was für ein Roman. Ehrlich gesagt habe ich mich zu Anfang sehr schwer getan. Dieses Hin- und Her- Gewechsele zwischen den Zeiten, den Orten und den Handlungen hat mich sehr angestrengt. Normalerweise liebe ich Bücher mit mehreren Handlungssträngen, weil diese eine gewisse Spannung aufrecht erhalten. Aber hier war es ganz anders. Nicht die zeitlichen Sprünge nein auch die Handlunsgsprünge haben mich teilweise verwirrt. Immer wieder musste ich zurück blättern, weil ich nicht verstand worum es gerade ging. Doch dann … irgendwann nach gefühlten 100 Seiten hatte ich den Zugang gefunden. Konnte eintauchen in eine wundervolle, sehr traurige aber schöne Geschichte. Nach und nach entwirrte sich die Geschichte, wurde klarer und beantwortete ungestellte Fragen. Eine Geschichte, die so traurig und schön ist, dass ich am Ende geweint habe, als sie zu Ende war. Ich hätte endlos weiter lesen können.

Diese Geschichte über das Leben von Tooly ist wie eine Wundertüte … je mehr man auspackt, desto mehr wird man überrascht und verzaubert. Unbedingt lesen!