Rezension

Überzeugt ... mit kleinen Abstrichen

Geordnete Verhältnisse -

Geordnete Verhältnisse
von Lana Lux

Bewertet mit 4 Sternen

Die Stärke dieses Buches ist nicht nur die Leichtigkeit, mit der es geschrieben ist, sondern vor allem sein cleverer Aufbau: Dadurch, dass wir die Protagonisten Philipp und Faina als Kinder kennenlernen, hat die Geschichte zunächst etwas Unschuldiges. Sehr gut kann man Philipps Wunsch nach einem Freund verstehen. Die Mutter Alkoholikerin, er Bettnässer, Einzelgänger. Seine Wutanfälle empfindet man als problematisch, aber hat auch Mitleid.

Mit Faina bekommt Philipp seinen sehnlichst herbei gewünschten Freund. Faina ist die Tochter ukrainischer Einwanderer, fremd im Land, beherrscht die Sprache kaum. Philipp bringt ihr Deutsch bei und vieles andere. Dies ist der Beginn einer toxischen Beziehung, deren Tragweite wir - genau wie die Hauptfiguren - nicht einschätzen können.

Nachdem Philipp und Faina sich schon einmal getrennt haben, führt eine Notsituation sie wieder zusammen. Fainas ist schwanger, verschuldet und wird von ihren Eltern nicht unterstützt. Philipp ist zu Geld gekommen, bietet plötzlich Sicherheit und so zieht Faina zu ihm.

Die Geschichte weist einige Zeitsprünge auf. Dass sie abwechselnd aus Fainas und Philipps Perspektive geschrieben ist, tut der Erzählweise gut. So bekommen wir ein Gefühl für Philipps starres Denken und seine Unfähigkeit, die eigenen Defizite wahrzunehmen.  Ein ungutes Gefühl wächst beim Lesen heran. Denn auch Faina trägt einiges an Seelenlast mit sich herum. Philipps Drang nach Kontrolle über Faina wird somit zunehmend bedroht.

Leider geht die Autorin gegen Ende vermehrt dazu über, zu erklären und psychologisch zu deuten, was sie gar nicht nötig hat, da man sich all dies wunderbar anhand der Ereignisse selbst herleiten kann. Nicht ganz gelungen ist meiner Ansicht nach auch die Verknüpfung bestimmter Themen mit der Persönlichkeit der Protagonisten - hier wird hart am Klischee vorbeigeschlittert. So wirkt Philipps Antisemitismus schon arg in die Geschichte hineingepresst. Und natürlich landet die ukrainische Migrantin früher oder später in der Sexarbeit.

Trotzdem hat das Buch viele starke Momente. Obwohl Gewalt nie explizit dargestellt wird, sondern immer retrospektive vermittelt wird, geht die Geschichte unter die Haut. Weil man anschaulich erlebt, wie man in einer gewaltvollen Beziehung landet und was einen wider besseres Wissen darin hält. Verdrängung, Fehldeutungen, psychische Probleme aufgrund nicht aufgearbeiteter Traumata und finanzielle Probleme greifen hier ineinander. Zur Tragödie wird Philipps und Fainas Geschichte aber auch, weil am Ende zuviele einfach weg sehen.