Rezension

Was für ein Debüt!

Geister
von Nathan Hill

Samuel ist College Professor für Literatur und wenn er mal wieder an seinen Studenten verzweifelt fragt er sich oft, wie er überhaupt in diesem Job gelandet ist. Er flüchtet gerne vor seinem Alltagstrott, indem er „World of Elfscape“, ein Online-Rollenspiel, spielt. Doch einen Tages wird er von seiner Vergangenheit eingeholt: Sein Verleger verlangt endlich das Manuskript des Buches, für das er vor Jahren einen Vorschuss bekommen hat. Seine Mutter, die ihn verlassen hat als er 11 war, erscheint in den Nachrichten, weil sie einen Politiker angegriffen hat. Und eine Studentin macht ihm Ärger.

Das Buch „Geister“ spielt einerseits im Jahr 2011, andererseits auch in Samuels Kindheit und zur Jugendzeit seiner Mutter Faye. Was ist damals passiert? Was bringt eine Mutter dazu, ihren 11jährigen Sohn zu verlassen? Einfach so zu gehen, ohne Ankündigung, ohne je wieder Kontakt aufzunehmen?

Hills Sprache wechselt bei jedem Abschnitt. Je nachdem, wer gerade im Mittelpunkt steht, wird ein ganz anderer Ton angeschlagen. Wenn es um den erwachsenen Samuel geht ist der Text von einem trockenen, zynischen Humor durchzogen, der mich manches Mal lachen ließ und ich wunderte mich schon, weil ich nicht mit einem lustigen Buch gerechnet hatte. Aber wenn es um Samuel als kleinen Jungen geht, ist der Tonfall ganz anders. Und das passt so gut!

Zwischendrin gibt es dann auch noch Abschnitte, die komplett aus der Reihe fallen. Ich will hier nicht zu viel verraten, da das den Überraschungseffekt verderben würde, aber ich fand vor allem diese Abschnitte genial und sehr passend.

Oft wird der Leser am Ende eines Abschnitts  im Unklaren gelassen, was nun genau passiert ist und muss sich lange gedulden, bis es die Auflösung gibt. Die dann oft ganz anders ist, als man gedacht hätte. Also, unerwartete Wendungen kann Nathan Hill!

Besonders gut gefallen hat mir, dass der Autor sich sehr modernen Themen annimmt: Da geht es um das Online-Rollenspiel und wie sehr man davon süchtig werden kann. Um Politik und ihre Verbindung mit den Medien. Polizeigewalt. Dem Leser werden viele Probleme unserer Zeit aufgezeigt. Von den ganz großen Themen, wie zum Beispiel der amerikanische Wahlkampf (aktueller denn je) bis zu kleineren Alltagsthemen: das ein Einkauf im Biosupermarkt ein Lifestyle-Statement ist und nicht nur ein Einkauf.

Am Anfang war ich skeptisch: so ein dickes Buch, ein Debüt-Autor… hat er wirklich soviel zusagen? Aber bereits nach den ersten Seiten war ich verzaubert und mir ist die Lektüre an keiner Stelle langweilig geworden oder schwer gefallen. Höchstens das Halten des dicken Buches ist mir manchmal schwer gefallen.

Ich vergebe klare 5 Sterne! Selten hat mich ein Buch derart überrascht. Ich hoffe sehr, der Autor braucht für das nächste Buch nicht wieder 12 Jahre. Falls doch ist sein neues Werk im Jahr 2028 fest in meinem Terminkalender vorgemerkt.